Wo die Liebe beginnt
wäre? Wenn wir weiter miteinander ausgegangen wären? Hätte ich dann irgendwann mit ihm geschlafen? Wäre ich vielleicht sogar von ihm schwanger geworden? Hätte ich es ihm gesagt? Und hätte ich das Baby dann behalten?
»Ja, schon. Aber ich glaube, ich habe ihn nie richtig gemocht. Wir haben uns jedenfalls am nächsten Tag getrennt, als wir gerade in einem Vergnügungspark waren und vor der Achterbahn anstanden. Er prahlte die ganze Zeit über damit herum, wie besoffen er war â als wäre das ein Grund, stolz zu sein. Ich konnte ihn keine Sekunde länger ertragen. Da bin ich einfach weggegangen, um mir alleine Zuckerwatte zu holen.« Ich lache. »Am Schluss hat er während der Fahrt auf ein Kind gekotzt, das war also eine gute Entscheidung von mir.«
Sie kichert und wird wieder still. »Ich wollte dich was fragen. Dich nach deiner Meinung fragen. Es geht um Belinda, meine beste Freundin.«
»Okay.«
Ich höre sie tief durchatmen, bevor sie langsam weiterspricht. »Wir haben nach Ballkleidern geguckt. Meine Schwester, Belinda und ich. Zusammen mit meiner Mom. Charlotte und ich haben Kleider gefunden, die ziemlich günstig waren, bloà so hundertfünfzig Dollar. Sie waren um die Hälfte herabgesetzt.«
»Das klingt ja super«, bemerke ich nervös.
»Ja, das war gut. Aber Belinda hat sich in ein Kleid mit Glitzersteinen verliebt. Es war superteuer, vierhundert Dollar. Ich weiÃ, für dich ist das nicht viel, aber für uns. Belinda hat nicht mal im Traum so viel Geld.«
Als sie »für uns« sagt, schäme ich mich ein wenig, weil ich an den Nachmittag bei Barneyâs denken muss. Aber Kirby redet weiter: »Ihre Mom ist alleinerziehend, und ihr Dad ist ein Versager. Belinda spart auch nichts, darum war der Preis eigentlich ganz egal, es hätte auch eine Million kosten können, weiÃt du?«
»Ja«, erwidere ich und versuche, hinter den Sinn der Geschichte zu kommen. »Hat sie sich dann ein anderes ausgesucht?«
»Nein. Sie hat es einfach ⦠genommen.«
»Wie denn das? Hat sie es auf Pump gekauft?«
»Neeein«, sagt sie, als wäre ich schwer von Begriff.
Sie seufzt und erklärt: »Sie hat es geklaut, Marian. Sie hat es in die Handtasche gesteckt und ist aus dem Laden spaziert. Einfach so.«
Ich setze mich auf dem Bett auf und schüttele den Kopf. Haben wir die Rollen getauscht? Ich erinnere mich an die Mädchen aus meiner Highschool, für die Ladendiebstahl eine Art Sport war. Die meisten von ihnen hatten Geld wie Heu, brauchten aber den Kitzel.
»Hast du sie dabei beobachtet?«, frage ich. Hoffentlich hat sie nicht mitgemacht.
»Nein. Ich habe bloà das Kleid in ihrer Tasche gesehen. Nachdem sie es schon geklaut hatte.«
»Hast du sie darauf angesprochen?«
»Nein, ich hab so getan, als hätte ich es nicht gesehen. Wir haben beide so getan ⦠Was ich dich fragen wollte: Findest du, ich sollte mit ihr darüber reden?«, fragt Kirby, die offenbar dringend meinen Rat sucht.
»Auf jeden Fall«, sage ich. Es fühlt sich an wie meine erste Amtshandlung als Mutter â ein wichtiger Moment.
»Was soll ich denn zu ihr sagen?«
»Sag ihr, dass du weiÃt, dass sie das Kleid geklaut hat und dass du das falsch findest. Sie soll es zurückbringen. Sie kann das ja anonym machen. Aber das Kleid muss zurück in den Laden. Es gibt bestimmt ein anderes Modell, das sie sich leisten kann.«
Kirby schweigt, angestrengt nach möglichen Schwierigkeiten suchend. »Das macht sie nie. Belinda weià genau, was sie will. Im Auto habe ich ihr Gesicht gesehen. Sie wird bloà wütend auf mich sein, wenn ich was zu ihr sage.«
Vorsichtig frage ich, ob sie ihren Eltern etwas erzählt hat.
»Bloà nicht«, ruft sie. Ich fühle mich gleichzeitig geschmeichelt und von der Verantwortung überwältigt. »Ich hab es überhaupt niemandem erzählt. Kann ich deswegen Ãrger kriegen? Habe ich was Illegales gemacht?«
»Ich glaube nicht. Solange du ihr nicht geholfen hast ⦠Aber ich finde, du solltest sie dazu bringen, das Kleid zurückzugeben.«
»Mist.«
»Ich weiÃ, das ist echt schwierig.«
Ich höre sie atmen. Wahrscheinlich denkt sie über meinen Vorschlag nach.
»Rede einfach mit ihr. Sag ihr, wie es dir damit geht. Und versuch, ehrlich und offen mit ihr umzugehen.«
Als ich diese Worte
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