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Wo die Liebe beginnt

Wo die Liebe beginnt

Titel: Wo die Liebe beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Giffin
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verglich). Wir stritten uns über die katholische Kirche, meine Abwesenheit bei der Messe, über die Tatsache, dass ich mich als Agnostikerin bezeichnete (na ja, das eher, um sie zu ärgern. Ich glaubte schon irgendwie an Gott). Wir stritten uns über Belinda, nachdem sie in der Schule mit Gras erwischt worden war (zum Glück hatten sie mein Gras bei ihrer illegalen Durchsuchung nicht gefunden). Wir stritten uns über die Uhrzeit, wann ich abends wieder zu Hause sein sollte (zehn Uhr!), die ich mehr aus Prinzip überschritt, weniger, weil ich wirklich etwas besonders Spannendes vorgehabt hätte (das heißt, überhaupt nichts Spannendes, und schon gar nichts, wo Jungs drin vorkamen, denn für mich interessierten sich nur die lahmen Typen). Wir stritten uns über meine miesen Noten (und meine noch miesere Einstellung dazu). Wir bekamen es sogar hin, über meine hohe Punktzahl beim College-Zulassungstest zu streiten, weil meine Eltern meinten, das sei ein weiterer Beweis dafür, dass ich »mein Potenzial« nicht ausschöpfte. Aber am meisten stritten wir uns darüber, dass ich nicht aufs College gehen wollte – nicht mal auf die School of Music an der University of Missouri. Das war jedenfalls Mr. Tullys großer Plan für mich (über den ich vielleicht nachgedacht hätte, wenn ich dort nur Musik und kein anderes Fach hätte belegen und keine früheren Mitschüler von der Highschool hätte ertragen müssen).
    In einer eiskalten Januarnacht (wir stritten uns auch über die Heizung – Himmel, innen an meinem Fenster wuchsen Eiskristalle!) wachte ich auf und wollte auf die Toilette gehen, als ich meine Eltern in der Küche reden hörte. Aus irgendeinem Grund beruhigten mich ihre Stimmen und der Klang des Teelöffels, der gegen den Tassenrand meiner Mutter klingelte – so ähnlich wie Charlottes Geschnarche, wenn sie einen Albtraum gehabt hatte und um Asyl in meinem Zimmer bat. Eine Sekunde lang fühlte ich mich wieder wie ein kleines Kind – und fragte mich, warum ich mich nicht einfach dafür entscheiden konnte, glücklich zu sein.
    In diesem Moment hörte ich das Wort »Adoption«. Dann: »ihre Mutter«.
    Ich erstarrte. Das Blut schoss mir in die Wangen, obwohl ich vor Kälte zitterte. Ich schlich näher ans Treppengeländer und versuchte, noch mehr mitzubekommen. Ich hoffte, ich hatte da etwas missverstanden.
    Aber nein. Meine Mutter redete weiter: »Wer weiß, was das für eine Person war. Wir wissen doch gar nicht, was wirklich passiert ist.«
    Â»Ganz recht«, entgegnete mein Vater. »Die Agentur hat uns vielleicht Märchen erzählt.«
    Mit klopfendem Herzen hörte ich weiter zu. Depressionen … psychische Krankheiten … Alkohol und Drogen … minderjährige Mutter.
    Ihre Worte durchbohrten mich wie ein Messer und machten mich zornig. Ich wusste ja, dass ich schwierig und launisch war und sie enttäuschte – aber das schien mir ein typisches Teenagerproblem zu sein und kein Verbrechen, das ihnen erlaubte, meine leibliche Mutter schlechtzumachen. Immerhin hatte sie ihnen das »Geschenk« gemacht, als das sie mich immer bezeichneten. Aber das Schlimmste war, dass mir ihre Worte plötzlich wahr vorkamen. Ihre Theorien über meine leibliche Mut ter hätten jedenfalls eine Menge erklärt. Vielleicht war sie ja wirklich schuld an meinen Problemen, vielleicht war sie die Wurzel des Übels – sie und mein leiblicher Vater. In meine Wut mischte sich Scham. Tolle Kombination.
    Â»Glaubst du, wir können sie überreden, aufs College zu gehen?«, hörte ich meine Mutter fragen.
    Â»Wenn sie überhaupt angenommen wird.«
    Meine Mutter sagte, selbst wenn ich es schaffte, wäre es dumm, so viel Geld zu bezahlen, wenn ich mich dann nicht anstrengen würde. Es sei ja schon schlimm genug gewesen, dass sie sich ein Bein ausreißen mussten, um mich zum Ausfüllen der Anmeldung für Missouri zu bewegen. Jetzt sei es aber vorbei mit dem Verhätscheln. Ich würde mich in Zukunft selbst in der Welt zurechtfinden müssen.
    Und es wurde immer noch besser. Sie meinten, man könne jemanden nicht grundsätzlich ändern. Mein Vater sagte, er hätte sonst was dafür gegeben, aufs College gehen zu dürfen. Und meine Mutter jammerte, wenn ich mich doch wenigstens halb so viel anstrengen würde wie Charlotte. Dann kamen sie wieder zum Ausgangspunkt

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