Wo die Toten ruhen - Psychothriller
kleinen Baches.
Kat und Ray folgten dem schmalen naturbelassenen Pfad, bis sie die von süßem Blütenduft erfüllte Luft einatmen konnten.
Leigh war in der Nähe des Penn Parks aufgewachsen. Sie hatte geschwärmt von den heißen Sommern ihrer Kindheit und sich gesehnt nach solchen ausgedehnten Tagen im Park - ohne nervige Kunden und ohne Terminstress.
»Wir sind wie die Verrückten Karussell gefahren«, sagte sie. »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie schwindlig uns wurde. Bis wir umfielen, und dann hatten wir Erde im Mund, die süßlich schmeckte.«
Ray erinnerte sich eher an die Hitze in den Bungalows ohne Klimaanlage, wo die Luft zum Schneiden war, sodass man zu
ersticken drohte. Er erinnerte sich nur vage an den Penn Park, so wie an Disneyland, ein einmaliges Ereignis, verzaubert, verschwommen. Warum war Esmé nicht öfter mit ihm in den Park gegangen, als sie in der Bright Street gewohnt hatten? Er wusste es nicht. Vielleicht musste sie zu viel arbeiten, um sie beide über die Runden zu bringen.
»Sie haben kunsthandwerkliche Kurse angeboten. Ich habe gelernt, wie man Armbänder webt. Kat und ich haben unsere Puppen mitgebracht und eine ganze Welt für sie gebaut. Und wenn wir die Puppen zu Hause vergessen hatten, spielten wir mit Wandelröschen, die aussahen wie Mädchen mit Reifröcken.«
Auf der Suche nach James Hubbel kamen Ray und Kat bei den Schaukeln vorbei. Ray war erstaunt, wie hoch sie waren. Er probierte eine aus, und Kat gab ihm Anschwung, bis er flog.
»Da, siehst du ihn?«, murmelte Kat auf einmal. James Hubbel stand auf einer Wiese ganz in der Nähe, während sein Hund nur wenige Meter von ihnen entfernt sein Geschäft verrichtete.
»Ja.« Ray bremste die Schaukel.
»Er räumt nicht mal die Scheiße weg!«, empörte Kat sich.
»Wahrscheinlich pfeift er auf solche Regeln, seit er den Hund hat.«
»Nun, ich finde, die Leute sollten …«
»Hör zu, Kat. Ich möchte, dass du hierbleibst.«
»Was? Warum? Es war doch meine Idee.«
»Ist dir noch nie aufgefallen, wie schwer es ist, offen zu reden, wenn an einem Gespräch mehr als zwei Menschen beteiligt sind?«
Sie hielt sich immer noch an der Schaukelkette fest und schluckte. »Nun ja, das stimmt.«
»Dann rede ich mit ihm.«
»Aber ich habe eine unbelastetere Beziehung zu ihm. Er kannte mich schon, als ich noch ein Kind war.«
Während sie leise hin und her stritten, zankten sich ein paar laut kreischende Kinder um einen hüpfenden Ball. »Gib her.«
»Nein, ich!«
Bevor der Kampf um den Ball tödlich endete, packte ein Mann mit grauen Schläfen eines der beiden Mädchen am Hemdkragen wie eine Katze ihr Junges. »Sie ist dran«, sagte er und trug das um sich tretende Kind zu dem mit einer roten Baumwolltischdecke gedeckten Picknicktisch. »Wenn du den Mund lange genug zumachen kannst, um ihn wieder aufzumachen, hat deine Mutter einen Hotdog für dich.«
Das Mädchen hielt den Mund und stopfte sich einen dick mit Senf bestrichenen Hotdog hinein. Die Kleine, die den Ball ergattert hatte, hockte sich ihr gegenüber hin. Die beiden Mädchen schnitten einander Grimassen. Sie bewarfen sich mit Pommes frites und zankten sich um den Ketchup.
»Er glaubt, ich hätte seine Tochter umgebracht«, sagte Ray leise. »Er muss mit mir reden.« Er glitt von der Schaukel und ging auf Hubbel zu.
Kat ließ ihn gehen. Sie setzte sich auf das Schaukelbrett und sah ihm nach.
»Hierher, Marley. Komm her, Junge!« Hubbel hatte den Hund von der Leine gelassen. Marley jagte hinter einem kleinen Jungen her. Der Vater des Kleinen kam mit hochrotem Gesicht näher, um sich bei Hubbel zu beschweren, der sich - wenn auch nicht besonders überschwänglich - entschuldigte. Sobald der Beagle endlich beschlossen hatte, zu seinem Herrchen zurückzukehren, richtete Hubbel in mildem, aber entschlossenem Tonfall das Wort an ihn. »Du bist ein böser Junge, und das weißt du auch«, sagte er und machte die Hundeleine an seinem
Halsband fest. »Du weißt, dass wir dich lieben, aber du bist ein böser Junge.« Wie alle schlechten Eltern tätschelte er den Hund und drückte ihm sogar einen Kuss auf den Kopf.
»Hallo, Jim«, sagte Ray.
Hubbel fuhr völlig verdutzt hoch und starrte ihn an. »Was zum Teufel machst du hier?«
»Vor vielen Jahren war ich oft hier.«
»Nostalgie kommt mir bei einem Mann in deinem Alter doch ein bisschen seltsam vor.«
»Ich war mit Leigh hier.«
»Hast du etwas von ihr gehört?«
»Nein.«
»Nein«, wiederholte Hubbel. Er
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