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Wo die Toten ruhen - Psychothriller

Titel: Wo die Toten ruhen - Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Mann,
der seine Frau hätte halten können, wenn er nicht in jungen Jahren immer und immer wieder entwurzelt worden wäre, bis er nicht mehr wusste, wer er war und wo er war, sodass er sich zusammenrollte wie ein fehlerhafter Satz Blaupausen und aufhörte zu wachsen.
    Er ließ die Jalousien herunter, schaltete das Licht aus und versuchte, sich zu beruhigen. Vielleicht hatten Leigh und seine Mutter Recht: Seine Besessenheit von der Vergangenheit hatte etwas Krankhaftes. Vielleicht brauchte er einen guten Psychiater, bei dem er sich die nächsten fünfzig Jahre auskotzen konnte, um sein Leben zu klären und mit winzigen Schritten zu einem Zustand der Ganzheit zu gelangen.
    Doch darauf konnte er nicht warten.
    Er schloss die Bürotür hinter sich und sagte Suzanne, er werde heute nicht mehr kommen. Sofern sie sich wunderte, warum er nicht mehr zurückkam, sagte sie nichts, sondern hielt den Kopf über ihren Schreibtisch gebeugt, ohne ihn anzusehen.
    Martin hatte sich, wie alle hinterlistigen Scheißkerle, an irgendeinen finsteren Ort verzogen.
    Ray zersplitterte. Nichts hielt ihn mehr zusammen.
    Auf dem Parkplatz vor dem Gebäude fuhr er mit der Hand über die Motorhaube von Martins Ferrari, bewunderte die unglaubliche Speziallackierung, schwarz-weiß, die so protzig war, dass man das Auto hätte rahmen und als Kunstwerk an die Wand hängen können. Die Designer konstruierten Autos gleich Raubtieren im Dschungel, tief geduckt und bereit, sich auf ihr Opfer zu stürzen. Martin hielt sein Baby makellos.
    Ray schaute sich um; im Augenblick war er allein. Er wählte aus der riesigen Sammlung in seiner Tasche einen Schlüssel aus, der besonders bizarr geformt und schartig war, und fuhr damit fest über die Fahrertür. Das Knirschen, das sein Zerstörungswerk begleitete, erfüllte ihn mit kindischer Freude. Es
blieb eine tiefe, hässliche metallene Narbe. Martin - mit seinen beiden Kindern, einem Haus in Brentwood, einer schönen Frau und einer ganzen Reihe von Affären - sollte so eine schwachsinnige Geste eigentlich zu schätzen wissen, denn Martin selbst verhielt sich häufig ziemlich schwachsinnig.
    Rays schnittiger Porsche hieß ihn willkommen, und die Klimaanlage blies ihm angenehm kühle Luft um die Beine und in das überhitzte Gesicht. Er öffnete das Handschuhfach; ja, die Schlüssel aus seiner Kindheit kuschelten sich dort aneinander wie alte Freunde. Wahre Freunde, beschützende Freunde. Er konnte die Hand wieder ohne Schmerzen bewegen, die Finger waren wohl doch nicht gebrochen. Martin war nicht mal gestürzt. Der Zorn, der den Schlag ausgelöst hatte, war so mächtig gewesen, dass Martin von dessen Wucht eigentlich durchs Fenster hätte stürzen müssen.
    Ray fuhr durch das dichte Verkehrsknäuel von Los Angeles und fünfundvierzig Minuten lang über mehrere Schnellstra ßen, um zu der ersten Adresse auf seiner Liste zu gelangen. Die Schlüssel an dem Ring verrieten ihm nicht, zu welcher Haustür sie jeweils gehörten, doch er war sich ganz sicher, dass alle etwas bedeuteten.
    Norwalk, Bombardier Avenue. Der Name stammte bestimmt aus dem Zweiten Weltkrieg, dachte er, als er sich den öden heißen Gehweg hinaufschleppte. Seltsam, eine Straße so zu nennen. Die Santa-Ana-Winde hatten seit Tagen geweht, heute fegten sie wild und in Böen, sie konnten einen verrückt machen, prickelten auf der Haut, schmeichelten sich ein, krochen störend sogar unter die Haut wie unreine Parasiten. Er kämpfte sich vor, wischte sich Staub aus den Augen, voller Aufregung und gleichzeitig voller Angst.
    Der Häuserblock lag verlassen da. Die Bewohner saßen pünktlich um halb acht in ihren Autos und fuhren durch dichten
Verkehr zu irgendwelchen Bürokomplexen, wo sie versuchten, produktiv zu sein. Dann fuhren sie im dichten Verkehr wieder nach Hause, um sich von dem blau leuchtenden Objekt in ihrem Wohnzimmer hypnotisieren zu lassen und zu versuchen, die Plackerei des Tages zu vergessen. Daran hatte sich seit Rays Kindheit nichts geändert. Er betrachtete die Schaukeln in den identischen Hinterhöfen, die verdorrten Flecken Gras vor den Häusern, die abblätternde Farbe an den Dachrinnen, die geflickten Dächer. Das Viertel, das fünfzig Jahre früher so etwas wie Hoffnung ausgestrahlt haben musste, war unbeschreiblich heruntergekommen.
    Die Erbauer dieser Parzellen hatten kein halbes Jahrhundert weiter in die Zukunft gedacht. Es war ihnen nur darum gegangen, die Gebäude so schnell wie möglich in die Höhe zu ziehen. Inzwischen sah

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