Wo die Toten ruhen - Psychothriller
die Kategorie sexuell anregend fiel, trotz seiner Kleidung, die für ihren Geschmack ein wenig zu Dockers war. Trotzdem kribbelte es
ihr ein wenig bei dem Gedanken, die Wange über seinen stachligen Bart zu reiben.
Er hatte was.
Jacki sprach von der Chemie zwischen zwei Menschen, sagte, wenn sie Raoul nur sehe, wolle sie ihn, hier und jetzt. Doch Kat wusste alles über die Wunder der Männer, ihre Haut, wie sie rochen, was sie in ihr erregten. Wenn Jacki zu erklären versuchte, dass diese Chemie weit über das hinausging, was Kat darunter verstand, dann verlor Kat genauso den Faden, wie sie ihn verlor, als sie in ihrer längst vergangenen und nicht besonders erfolgreichen Collegekarriere einen kurzen Augenblick gezwungen worden war, sich mit Redox-Gleichungen zu befassen.
Egal, Kribbeln verhieß immer etwas Gutes, das wusste sie genau.
»Schneller«, sagte Zak einige Minuten später.
Sie flogen, einander an den verschwitzten Händen haltend, die Strandpromenade hinunter, und in der Ferne schäumte die weiße Gischt - alles war genauso, wie es sein sollte. Wenn sie taumelte, stützte er sie. Wenn sie erschöpft war, was bald geschah, bestand er darauf, dass sie anhielten und sich auf eine Bank setzten, um den fahlen Schimmer am Himmel zu betrachten. Sie setzten sich und alberten herum, kommentierten die Künste der anderen Inlineskater, der fitnessgestählten, braungebrannten Typen mit ihren wohl ausgebildeten Bauchmuskeln, der jungen Frauen in ihren bauchfreien Oberteilen und nassen T-Shirts. Zak machte Späße, legte jedoch einen versöhnlichen und freundlichen Sinn für Humor an den Tag, keinen gemeinen.
Kat mochte gemeine Menschen nicht, liebte jedoch jede Art von Lästern. Und Los Angeles war ganz wild darauf, verhöhnt zu werden. »Schau nicht hin!«, befahl sie, als ein besonders
überentwickeltes Geschöpf mit nacktem Oberkörper und federnden Schritten die Strandpromenade herunterkam, wandte den Blick ab und drehte Zaks Kopf mit einer Hand so, dass er aufs Meer blickte. »Er will unbedingt Aufmerksamkeit. Es wird ihn ärgern, wenn er sich fragen muss, warum wir ihm nicht hinterhergeschaut haben!«
Zak gehorchte, betrachtete den Sonnenuntergang und lachte.
Während sie zuschauten, wie die letzten purpurroten Pfirsich- und Orangetöne miteinander verschmolzen und die ganze Pracht eines südkalifornischen Sonnenuntergangs präsentierten, fragte sie ihn nach seinem Leben, und Zak erzählte ihr, das Wichtigste, was sie über ihn wissen müsse, sei, dass er seine Arbeit liebte. Er würde erst gehen, wenn sie ihn rauswarfen, und wenn sie das tun würden, würde er sich auf seinem Gebiet eine andere Stelle suchen.
Kat versuchte sich zu erinnern, ob sie schon einmal einen Mann gekannt hatte, der einer Arbeit nachgegangen war, die er wirklich mochte. Es fiel ihr keiner ein. Eine leise Stimme in ihr sagte: »Er hat ein geregeltes Einkommen und ein fröhliches Naturell. Jacki würde ihn gutheißen.« Bevor Kat eine weitere unabhängige Einschätzung dieser Information vornehmen konnte, wanderten ihre Gedanken zu Leigh. Hatte sie Ray aus dem irrigen Glauben heraus geheiratet, er würde ihr die Stabilität geben, die Tom ihr nicht geben konnte? Vielleicht hatte Leigh sich gar nicht geirrt, sondern Recht gehabt. Schließlich hatte Tom am Ende gezeigt, wie schwach und unbeständig er war. Er hatte sich selbst zerstört.
Als die Nacht hereinbrach, kehrten sie zu der Inliner-Vermietung zurück, sammelten ihre Schuhe ein und gingen zum Parkplatz. Er nahm wieder ihre Hand und fragte: »Was denkst du gerade?«
Verdutzt meinte sie: »Was?«
Er wiederholte seine Frage.
Sie überlegte kurz, ihm die Wahrheit zu sagen, doch wie konnte sie? Es war zu früh, um ihn mit Tom zu belasten, ihrem Kummer, ihrer vermissten Freundin. Das war in den Spielregeln absolut nicht vorgesehen. In der Kunst des Ausgehens wohl bewandert, log sie automatisch. »Ich habe mich gefragt, ob du wohl Lust hast, mit mir nach Hause zu kommen?«
»Wirklich?«
»Mhm. Du klingst zögerlich.«
»Nein. Ehrlich, hast du das wirklich gedacht?«
Sie konnte sich nicht erinnern, es in jüngster Vergangenheit mit einem Mann zu tun gehabt zu haben, der sie das gefragt hatte, dem eine rasche Lüge nicht ausreichte, besonders diese, die dazu gedacht war, ihn abzulenken. Und so erzählte sie ihm, ganz gegen ihre Art - während sie in die wachsende Dunkelheit hineingingen und die Wellen sich zurückzogen - von Tom, Leigh und Ray, von Jackis Sorgen um sie, den
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