Wo die Toten ruhen - Psychothriller
hinzuziehen, wenn es sein muss. Es ist erst eine Woche her. Wir haben keinen Beweis, weder in die eine noch in die andere Richtung.«
»Heute ist der achte Tag, Ray. Nein, da stimmt trotzdem irgendetwas ganz gewaltig nicht.«
»Schauen Sie, wer auch immer das Geld an dem Tag abgehoben hat, musste ihre PIN kennen. Die würde Leigh niemals freiwillig rausrücken.«
Kat dachte über ihre Freundin nach. Leigh gab sich nicht gern mit Belanglosigkeiten ab, vor allem hasste sie Zahlen. Auf der Cal High war sie in Trigonometrie beinahe durchgefallen; sie hatte sich stets darauf verlassen, dass sie die Mathematikhausaufgaben bei Kat abschreiben konnte. »Womöglich hat sie die Nummer irgendwo in ihrer Brieftasche notiert.«
Seine zusammengepressten Lippen bestätigten ihre Hypothese.
Kat sprang auf. »Kommen Sie - wir fahren«, sagte sie.
»Wohin?«
»Nach Idyllwild. Nehmen Sie ein Foto mit.«
»Idyllwild … warten Sie …«
»Kommen Sie schon, Ray. Packen Sie, was Sie packen müssen. Leighs Eltern hatten vor Jahren dort eine Hütte.« Idyllwild lag wenige Stunden entfernt oben in den Bergen, die das Becken von Los Angeles säumten. »Ähm, das war in der Tahquitz Lane. Die Hütte nannte sich Camp Tahquitz, deshalb weiß ich das noch. Es ist wirklich lange her, keine Ahnung, ob sie noch in ihrem Besitz ist.«
»Ich bin nie dort gewesen, aber sie hat sie vor ein paar Monaten mal erwähnt. Ihre Eltern hätten ein baufälliges Häuschen, führen jedoch nicht mehr dorthin und wollten es deshalb verkaufen.«
Kat eilte nach draußen, um ihren Laptop aus dem Auto zu holen, loggte sich bei ihm drahtlos ins Internet ein und rief Realtor.com auf, um sich die Immobilienangebote von Idyllwild anzuschauen. Der Ort war zu klein, er hatte keine eigene Immobilienseite, aber sie rief die Angebote aus der Umgebung auf und fand sehr schnell ein Cottage in der Tahquitz Lane, das zu verkaufen war.
»Zwei Schlafzimmer«, sagte sie. »Fünfundsechzig Jahre alt. Sie verlangen nur zweihundertzwanzig dafür. Wie erfrischend. Billig heutzutage.«
»Sie bezeichnete es als Bruchbude.«
»Die Beschreibung passt. Ich rufe den Immobilienmakler da oben mal an.«
»Wir könnten auch einfach ihre Eltern anrufen. Aber dann würden sie …«
»Dann hätten wir es nicht mehr in der Hand«, sagte Kat. Sie sahen einander an.
»Na machen Sie schon. Rufen Sie den Makler an«, sagte Ray. »Sie tun’s ja ohnehin, ob mit oder ohne mein Einverständnis.«
Die für den Verkauf des Cottage zuständige Dame war nicht da, doch ihren Chef konnte Kat sprechen und ihm - indem sie ihre Referenzen als Immobiliengutachterin ins Spiel brachte - den Namen des Besitzers entlocken.
Hubbel. Nach mehr als einem Jahr war noch kein einziges Kaufangebot eingegangen. Das Cottage musste unbedingt modernisiert werden, doch die Besitzer weigerten sich, etwas daran zu machen.
Kat legte auf. »Gut. Sie ist entweder tot, entführt oder auf der Flucht«, sagte sie. Ray hob seine Hand über die Augen, als sehe er etwas, das er nicht sehen wollte. »Jedenfalls ist sie in Idyllwild gewesen«, fuhr Kat unerbittlich fort. »Ich wette, sie hat Geld von Ihrem Konto abgehoben für den Fall, dass Sie sie suchen. Genau wie meine Klienten, die in ihren Häusern private Gegenstände herumliegen lassen, die mir verraten, wer sie sind. Sie ist klug … sie wollte nicht, dass Sie gleich wussten, wohin sie gefahren ist, aber sie wollte die Verbindung auch nicht vollkommen abreißen lassen.«
»Ich komme sofort wieder«, sagte Ray. Er verließ das Wohnzimmer. Kat nahm sich noch einmal Leighs kleines Buch vor und las weitere ihrer Liebesgedichte.
Fünf Minuten später war Ray schwer bepackt wieder da. »Zwei Pullover«, sagte er. »Zwei Schlafsäcke. Es kann nachts kalt werden da oben, selbst im Sommer, und ich nehme nicht an, dass es Bettzeug gibt. Holen Sie noch eine Flasche von dem französischen Wein aus dem Kühler.«
»Jawohl, Sir«, sagte sie und erhob sich vom Fußboden. »Vergessen Sie die Zahnbürsten nicht.«
19
»Ich gehe dann«, sagte Eleanor Beasley, als sie an Esmés Kasse vorbeiging. »Bis morgen.«
»Warte mal’ne Sekunde, Eleanor.«
Eleanor wartete, während Esmé eine Kundin mit einem randvollen Einkaufswagen abfertigte, die Barcodes über den Scanner der Kasse zog und die Waren mit einer Geschicklichkeit, die auf jahrelange Erfahrung zurückzuführen war, in Tüten verpackte.
»Vielen Dank, dass Sie im Granada Market eingekauft haben«, verabschiedete sie sich
Weitere Kostenlose Bücher