Wo die Toten ruhen - Psychothriller
Esmé, bereits eingelullt vom Stimmengewirr, der guten Laune ringsum und dem Rauschen des Straßenverkehrs draußen, hatte den ersten, den Grünen, bereits hinuntergekippt - er schmeckte abscheulich.
»Schritt eins«, klärte Jack sie auf, »der Grüne. Man gibt ein Glas Melonenlikör oder Apfelbitter und ein Glas Wodka in den Shaker, schüttelt ordentlich und seiht die Mischung in ein Glas.
Für den Gelben - Halt, Achtung - braucht man Wodka, den
man im Shaker mischt mit dem besten gelben Saft, den man hat, man kann auch gelbe Lebensmittelfarbe nehmen, dann Eis dazugeben, alles gut schütteln und in ein Schnaps- oder Becherglas füllen.
Schritt drei, man gibt ein Glas Hot Damn oder Kirschbitter und ein Glas Bacardi 151 in den Shaker, schüttelt wieder durch und seiht die Mischung in ein drittes Glas. Das war’s, Baby, da heißt’s Stopp.« Jack beugte sich ganz dicht zu Esmé hinunter und flüsterte nun fast: »Aber aus irgendeinem Grund hören die Leute, die das hier trinken, niemals auf. Also: Vorsicht.«
Esmé hatte indes die ersten beiden Gläser schon geleert, schluckte schwer und wandte sich dem dritten zu.
»Hey, Honey, langsam mit dem Zeug«, sagte Eleanors Freundin Carmen und legte Einhalt gebietend die Hand auf Esmés Handgelenk, »sonst muss Ward dich morgen früh durch jemanden ersetzen lassen.«
Esmé jedoch wehrte ab. Der Rote rann wie geschmolzene Butter ihre Kehle hinunter, er schmeckte süß.
»Ich nehme noch einen, aber etwas anderes«, sagte sie, »das hier war grässlich.«
»Nun, da hast du nicht Unrecht«, sagte Jack. »Warte, ich mixe dir was Feines, damit kannst du den Geschmack runterspülen.« Er servierte ihr einen Manhattan. Esmé spürte, dass sie langsam lockerer wurde, als ob Gummibänder, die ihr Gehirn an Ort und Stelle gehalten hatten, sich eines nach dem anderen lösten. Jetzt lachte auch sie und fühlte sich plötzlich jung und abenteuerlustig.
»Noch einen.«
»Klar, Honey.« Jack mixte ihr noch einen Manhattan. Vor ihr standen Erdnüsse, doch sie rührte sie nicht an, obwohl sie nichts zu Abend gegessen hatte. Eleanor blieb verschwunden,
und ihre Freundinnen waren in ihre Gespräche vertieft, doch Esmé fühlte sich nicht mehr allein. Sie war Teil dieses sich ständig bewegenden Lichts geworden, dieser wie geschmiert laufenden Jovialität. Alle waren glücklich, und so sollte das Leben schließlich auch sein.
»Noch einen.«
Amy und ihr großer, kräftiger Freund schoben Esmé ziemlich unbeholfen auf den Rücksitz ihres Wagens, Craig hielt ihren einen Arm, Amy den anderen. Sie brachten sie nach Hause. Da es ihr nicht gelingen wollte, die Haustür aufzusperren, übernahm Craig das.
»Es geht dir auch ganz bestimmt gut?«, fragte Amy, die an Craigs Auto lehnte und die Szene beobachtete.
Esmé winkte mit beiden Händen. »Mehr als gut«, nuschelte sie. Sie schlug dem besorgt dreinblickenden Craig die Tür vor der Nase zu. »Mir geht’s gut«, sagte sie drinnen zu der Tür.
Sie wollte sich am Türrahmen abstützen, doch ihr wurde schwindlig und sie glitt zu Boden. Das kühle Holz fühlte sich gut an.
Sie fiel auf der Stelle in eine Ohnmacht.
20
Kat, die so nah neben Ray saß, dass sie sein Aftershave riechen konnte und seine Schulter berührte, sobald sie sich bewegte, studierte die Karte. Sie waren kurz hinter San Bernardino und fuhren Richtung Osten. Den größten Teil des Los-Angeles-Beckens hatten sie schon hinter sich. Das Thermometer des Porsches zeigte an diesem Samstagnachmittag im August eine Au
ßentemperatur von vierzig Grad an. Kein einziges Auto, das auf der Straße unterwegs war, hatte die Fenster heruntergekurbelt. Die Luft wirkte, als wäre sie orange gefärbt. Rechts und links der Schnellstraße gab es nicht viel zu sehen - mit Eiskraut bewachsene Schallschutzmauern. Dächer. Nicht gerade malerisch, doch zumindest führte diese Straße sie zu ihrem Ziel.
»In der vierten Klasse haben wir mal einen Ausflug nach Idyllwild gemacht«, sagte sie. »Alles, woran ich mich erinnern kann, sind Insekten, Staub und Manzanita. Aber in meinem Büro gibt es eine Kollegin, die den Ort mag. Sie hat mir erzählt, er sei eine Künstlerstadt, die Touristen anlockt und heute sehr wohlhabend sein soll.«
»Es sind von L. A. aus die nächsten Berge«, sagte Ray. »Liegt auf der Hand, sich dort etwas aufzubauen, wohin man im Sommer flüchten kann. Um diese Jahreszeit wird dort viel los sein. Es gibt außerdem auch einen größeren Wald im Mount San Jacinto
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