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Wo die Toten ruhen - Psychothriller

Titel: Wo die Toten ruhen - Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Tochter gern hierhergekommen waren.
    Die braunen Kiefern, die im spätnachmittäglichen Wind rauschten, sahen aus wie Relikte. Sie müssen etwas sehr Starkes in sich haben, dachte Kat, während sie die Holzstufen erklomm, denn sie überleben fast ohne Wasser. Ray schlug die Wagentür zu und folgte ihr.
    »Irrtum«, sagte Kat. »Ich bin davon ausgegangen, dass der Makler eine Lockbox an der Tür angebracht hätte. Ich habe einen Generalschlüssel, mit dem ich so gut wie jede Lockbox öffnen kann.« Sie zeigte ihn Ray, und er drehte ihn in den Händen.
    »Hübsch«, meinte er voller Neid.
    »Und jetzt?«
    »Kein Problem«, meinte Ray. Er suchte die potenziellen Verstecke auf der Veranda ab. Dann ging er die Stufen hinunter zu einem runden Granitbrocken neben der Veranda. Er bückte sich und schob ihn zur Seite. Darunter befand sich ein rostiger Haustürschlüssel.
    »Woher wussten Sie das?«, fragte sie staunend.
    »Ich habe eben ein Faible für Schlüssel. Und an Plätzen wie diesen werden sie meistens aufbewahrt.«
    »Aber Sie sind ja sozusagen direkt darauf zugegangen.«
    »Ich war noch nie hier. Okay?«
    »Okay.«
     
    Kat hatte in demselben Moment, als sie hier angekommen waren, gewusst, dass in dieser mit Brettern vernagelten Hütte niemand wohnte. Dennoch schaute sie sich nun, als sie endlich eintraten, voller Erwartung um.

    Drinnen war es kühl. Ray tat, was Männer üblicherweise in solchen Fällen zu tun pflegen: Er machte sich auf die Suche nach einem Thermostaten oder einer sonstigen Wärmequelle. Kat griff nach ihrem Schlafsack draußen und schloss die Tür hinter sich zu.
    In dem kargen Eingangsbereich stand ein kleiner Kleiderschrank. Sie öffnete ihn und fand lauter Mäntel darin, Mäntel für jede Jahreszeit, helle, dunkle, dünne, dicke. Sie rochen muffig.
    Der erste Raum, den sie betrat, war wahrscheinlich das Wohnzimmer. Dort befanden sich eine rote, leicht abgenutzte Ledercouch, zwei Sessel mit blumigen Chenillebezügen und ein Couchtisch, auf dem ein unvollendetes Puzzlespiel ausgebreitet lag. Sie sah sich mit kühlem professionellem Blick um und erkannte auf der Stelle, dass dieses Ambiente für die Käuferschaft, die angesprochen werden sollte - wohlhabende Vorstadtbewohner -, unattraktiv war. Es sah nicht nur so aus, sondern war genau das, was es war: eine modrige alte Hütte, die niemals renoviert worden war. Kein Wunder, dass niemand anbiss. In Sekundenschnelle erkannte sie, was sich ohne allzu großen Aufwand verändern ließe: die Verkleidung in einem hellen Braungrau oder weichen Apricot streichen. Den muffigen Teppich ersetzen. Die uralte und verstaubte Beleuchtung ersetzen. Die Küchengeräte austauschen. Zwanzigtausend ausgeben und fünfzigtausend mehr verdienen.
    Ray stand in der Tür. »Ich habe eingeheizt.«
    »Das ist gut«, sagte sie. »Sehen wir uns mal zusammen um?« Sie wanderten durch das Haus, schalteten Lampen an, öffneten Fensterläden, besichtigten die winzige Küche und das obere Schlafzimmer mit Doppelbett, über dem eine rosafarbene Tagesdecke ausgebreitet war. Im Wohnzimmer befand sich eine verschließbare Tür, die in den unteren Wohnbereich
führte. Die Treppe war äußerst schmal und Furcht erregend wackelig, das fensterlose Treppenhaus wurde durch eine grelle, nackte Glühbirne beleuchtet. Kat folgte Ray hinunter, und sie betraten einen großen Raum, wohl eine Art Familienzimmer, mit Kamin, zwei Sofas und einem Fenster mit Blick über die Hügel.
    »Nicht schlecht«, bemerkte Kat. Ein enger Flur führte zu einem weiteren Schlafzimmer, es war klein, und auch hier gab es ein Doppelbett samt Kopfkissen. Doch statt einer Deckenbeleuchtung gab es nur eine trübe Lampe an der Wand. Ray schaltete sie ein. Vor dem Fenster hing eine Baumwollgardine. Schob man sie beiseite, sah man wieder über die Hügellandschaft. In der Ecke stand ein Schrank. Kat öffnete ihn, er war leer.
    »Sie ist nicht hier«, sagte Ray. Er setzte sich auf das Bett, das beängstigend knarrte, und stützte den Kopf in die Hände.
    »Wir haben noch nicht überall nachgeschaut.«
    »Sie meinen zum Beispiel die Küchenschränke, falls ich sie dort unter die Spüle gestopft hätte oder so?«
    »Vergewissern wir uns, dass Sie das nicht getan haben«, sagte Kat. »Sie haben mich schon mal überrascht.«
    Lange brauchten sie nicht dafür. In den Schubladen der Spiegelkommode fanden sie alte Kleidungsstücke, und sie entdeckten einen Wandschrank mit allerlei Krempel, den die Familie zurückgelassen hatte.

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