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Wo die verlorenen Seelen wohnen

Wo die verlorenen Seelen wohnen

Titel: Wo die verlorenen Seelen wohnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dermot Bolger
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das?«
    »Das bedeutet, dass ich dauernd gegen mich selbst ankämpfe.«
    Shanes Handy gab einen Ton von sich. Er warf einen Blick darauf. Eine SMS von Geraldine: Oma hat deinen Dad angerufen, wo bist du jetzt? Als Shane wieder aufschaute, hatte Thomas die Augen fest geschlossen. Es machte den Eindruck, als versuchte er mit allen Mitteln etwas wegzudrängen.
    »Ich wurde damals völlig überrumpelt und dazu gezwungen«, flüsterte Thomas. »Deshalb hab ich mir als Junge was gewünscht. Ich will dich nicht dazu zwingen, aber ich kann dich auch nicht davon abhalten. Nur du selbst kannst dich davon abhalten. Du wirst deinen Wunsch erfüllt bekommen, du wirst mit Geld überschüttet werden. Aber die Erfüllung deines Wunsches hat einen hohen Preis.«
    Etwas strich Shane um die Beine, verwirrt sah er nach unten. Es war die schwarze Katze, die er vor der Haustür gesehen hatte und die wohl durch das offene Küchenfenster hereingekommen sein musste. Die Katze huschte davon. Auf einmal war es in dem Haus deutlich kälter als vorher. Die Atmosphäre war viel drückender geworden. »Ich vertrau Ihnen nicht«, sagte er verwirrt. »Ich mag diesen Ort nicht. Ich gehe jetzt.«
    Thomas schlug die Augen auf. Sein Gesicht hatte sich während der wenigen Sekunden, als er die Augen geschlossen hatte, verändert. Seine Gesichtszüge waren verzerrt, seine Lippen mit Schaum bedeckt. Er gab ein Grunzen wie ein Schwein von sich, stand auf und kam auf Shane zu, der zuerst gar nicht verstand, was er sagte, weil er auf einmal nur noch lallte, als könnte er mit seiner Zunge gar keine Laute bilden. Erst als Thomas seine Worte noch einmal wiederholte, konnte Shane ihn verstehen. Aber selbst jetzt, wo er seine Stimme wiedergefunden hatte, brachte er kaum mehr als ein heiseres Flüstern heraus. »Ich brauche meine Schmerztabletten. Schnell, hol mir ein Glas Wasser aus der Küche. Beeil dich, der Schmerz bringt mich noch um.«
    Thomas schaute ihn so gepeinigt an, dass Shane sofort in die Küche eilte, um ihm ein Glas Wasser zu holen. Das einzige Glas, das er dort fand, war so verstaubt, dass er es erst mit seinem T-Shirt abwischte. Dann ließ er das trübe Wasser aus dem Wasserhahn hineinlaufen. Als er sich umdrehte, stand der alteMann hinter ihm. Thomas griff nach dem Glas und schluckte zwei seiner blauen Pillen. Er verzog das Gesicht, seine Stimme klang rau.
    »Seit der Eagle Tavern habe ich kein übleres Gesöff getrunken. Entscheide dich, mein Junge. Wir haben nicht mehr ewig Zeit. Dein Vater wird dir niemals erlauben, auch nur ein einziges Mal hierher zurückzukehren.« Thomas trat einen Schritt näher. »Dein Vater weiß nämlich, dass man Fremden nicht trauen soll, und schon gar nicht einem Feigling wie mir, der solche Angst vor dem Sterben hat.«
    Shane wich zurück. »Ich hab doch gesagt, ich gehe jetzt.«
    »In dem Augenblick, als du mit deiner Freundin hier bei mir eingestiegen bist, wusste ich, dass sie dich geschickt hatten. Obwohl du nicht der Junge bist, auf den sie es eigentlich abgesehen hatten. Seinen Vater haben sie bei einem Autounfall vor dem Hellfire extra umgebracht, das war ein Tanz, als aus dem Wrack immer noch die Musik dröhnte. Aber ihnen läuft die Zeit davon. Deshalb sind sie auch mit dir einverstanden, obwohl du so ein Schwächling bist.«
    Shanes Handy meldete sich wieder. Er schaute darauf. Noch eine SMS von Geraldine: Sag mir, wo du bist. Ich mach mir Sorgen. Er wollte ihr antworten, aber plötzlich war der Akku leer.
    »Du glaubst, du kannst immer noch einfach gehen, aber das schaffst du nicht mehr!«, rief Thomas. »Gier und Neugier halten dich hier fest.«
    »Klar kann ich gehen«, antwortete Shane empört. »Ich gehe, wann ich will. Sie sind ja krank im Kopf.«
    »Bin ich das? Ich bin ein Zocker. Ich habe damit mehrmals ein Vermögen gemacht, mit Glücksspielen aller Art, Würfel, Karten, Windhunde, egal. Und ich gehe jetzt jede Wette ein,dass du nicht genug Mumm hast, um mich einen Lügner zu nennen und zu beweisen, dass das mit dem Wunsch, der in Erfüllung geht, einfach nur eine dreiste Lüge von mir ist.«
    Shane machte ein paar Schritte zurück. Er war unendlich erleichtert, als er den Türgriff der Hintertür in den Hof hinaus in seiner Hand spürte. Jetzt war er schon beinahe draußen im Freien. Auf einem leeren Küchenbord sah er die schwarze Katze sitzen, die ihn gelangweilt anschaute.
    »So ist’s recht, schleich dich nur zur Hintertür hinaus«, sagte Thomas in schneidendem, abschätzigem Tonfall.

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