Wo die Wahrheit ruht
eingehängt haben, versuchte ich, Ihnen zu erklären, dass ein gültiger Vertrag existiert, der zweifelsfrei besagt, dass die Galerie das Recht besitzt, den Preis eines jeden in Kommission genommenen Kunstwerkes zu ändern.”
Sie wollte ihn schon fragen, warum er es so eilig damit hätte, den “Markttag” abzustoßen, doch sie biss sich gerade noch rechtzeitig auf die Zunge. Um keinen Preis wollte sie sein Misstrauen wecken.
“Ich bin viel zu beschäftigt, um mich mit Ihnen herumzuschlagen”, sagte Victor Lorry ungeduldig. “Es ist offensichtlich, dass Sie und ich nicht miteinander ins Geschäft kommen.” Mit einem Ruck hob er das Bild von der Staffelei.
“Was tun Sie da?”, rief Grace entgeistert.
“Ich nehme nur, was mir gehört.”
“Das werden Sie nicht.” Mit beiden Händen packte sie das Gemälde am Rahmen und hielt es fest. “Sie haben einen rechtlich bindenden Vertrag unterschrieben, und wenn Sie das Bild jetzt nicht sofort loslassen, rufe ich die Polizei.”
“Gibt es hier Probleme?”, ertönte eine ruhige Stimme vom Eingang.
Grace und Lorry wirbelten gleichzeitig herum. Matt Baxter stand im Türrahmen und versperrte so den einzigen Fluchtweg. Grace entfuhr ein kleiner Seufzer vor Erleichterung. Im gleichen Augenblick beschloss sie, die Echtheit des Gemäldes prüfen zu lassen. Das Problem war nur, dass sie alleine Lorry nicht daran hindern konnte, das Bild einfach mitzunehmen.
Sie nutzte den Überraschungseffekt und zog dem Händler das Gemälde mit einem kräftigen Ruck aus den Händen. “Jetzt nicht mehr”, antwortete sie. Sie stellte den Arroyo wieder auf die Staffelei zurück. “Sobald ich das Gemälde verkauft habe, werde ich Ihnen Bescheid geben, Mr. Lorry.”
Lorry reagierte nicht. Stattdessen taxierte er Matt einige Sekunden. Er schien abzuwägen, ob es sich lohnte, es auf einen Kampf ankommen zu lassen. Matt wirkte völlig entspannt und rührte sich nicht von der Stelle.
“Ich komme wieder”, wandte sich Lorry an Grace. Er warf Matt einen letzten finsteren Blick zu und verließ den Laden.
“Netter Zeitgenosse”, meinte Matt, als er verschwunden war. “Ein Freund von Ihnen?”
“Ein Kunsthändler, mit dem Steven Geschäfte gemacht hat.”
“Er sieht eher wie ein billiger Ganove aus, nicht wie ein Kunsthändler.”
Grace ging zum Schreibtisch hinüber und kehrte mit einem Staubtuch zurück, um die Schmierflecken vom Rahmen zu wischen, die Lorrys Finger hinterlassen hatten. “Er war einfach nur verärgert.”
“Gab es einen bestimmten Grund dafür?”
“Er behauptet, er hätte seinen Vertrag mit Steven geschlossen, und nun, da Steven tot ist, weigert er sich, mit mir zusammenzuarbeiten. Er ist hergekommen, um sein Bild mitzunehmen, und das habe ich ihm nicht erlaubt.”
“Was hatte er denn vor? Wollte er mit Ihnen einen Ringkampf um das Bild veranstalten?”
“Scheint so.”
Matt ging zu dem Gemälde hinüber. “Was ist denn faul mit dem Bild?”
Grace war sich ihres Verdachtes selbst noch nicht sicher genug, um ihn gleich einem FBI-Agenten anzuvertrauen. Schon gar nicht einem, den sie noch keine vierundzwanzig Stunden kannte. “An dem Bild ist nichts faul”, antwortete sie. “Wie kommen Sie auf diese Idee?”
“Oh, keine Ahnung. Sein Besitzer war so verdammt versessen darauf, es zurückzubekommen. Sie waren so versessen darauf, ihn daran zu hindern. Das hat mich stutzig gemacht.”
“Victor Lorry und ich sind einfach nur ein bisschen aneinandergeraten. Jetzt, da die Sache geklärt ist, komme ich mir ein wenig albern vor.”
“Bei einem guten Lunch ist der Vorfall schnell vergessen.”
“Wie wahr. Ich will mich nur noch schnell frisch machen.”
Statt sich jedoch im Hinterzimmer die Lippen nachzuziehen, nahm Grace ihr Mobiltelefon in die Hand und wählte eine Bostoner Nummer.
Beim vierten Klingeln sprang Professor Fishburns Anrufbeantworter an, und die vertraute Stimme forderte sie auf, eine kurze Nachricht und eine Telefonnummer zu hinterlassen. So ausführlich wie nötig und so knapp wie möglich berichtete Grace dem alten Freund von ihrem Verdacht und bat ihn, so schnell wie möglich nach New Hope zu kommen, um ihr Klarheit zu verschaffen. Dann hinterließ sie noch ihre Handynummer. Als sie einhängte, betete sie, dass der Professor nicht gerade irgendwo in der Welt unterwegs war, um nach seltenen Kunstschätzen zu graben.
“Was macht denn eine Kuratorin eigentlich genau?”
Matt beobachtete, wie Grace eines von Lorraines riesigen
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