Wo die Wahrheit ruht
nicht angeboten, sie mitzunehmen?”
“Das hat er. Aber sie hat abgelehnt. Du weißt ja, wie sie war, arrogant und eigensinnig.”
Fred ging zur Tür und klammerte seine Hände um die dicken Gitterstäbe. “Ich habe alles versucht, den Jungen zum Reden zu bringen”, sagte er. “Habe alle erdenklichen psychologischen Tricks ausprobiert. Vergebens. Dusty blieb absolut stumm. Zwei Wochen später wurde er für nicht zurechnungsfähig erklärt und in eine psychiatrische Klinik eingewiesen.”
“Und heute? Redet er immer noch nicht?”
“Ich habe keine Ahnung, wie es mit ihm weiterging. Aber Ellie hätte mir mit Sicherheit Bescheid gesagt, wenn Dusty wieder gesprochen hätte.”
“Wohnt sie noch immer an der Lower York Road?”
“Ja, aber wie gesagt, versprich dir nicht zu viel von ihr, mein Junge.”
“Warum?” Matt grinste breit. “Denkst du etwa, der alte Baxter-Charme funktioniert bei ihr nicht?”
“Raus hier, du alter Witzbold.”
28. KAPITEL
D ie tiefen Falten in Ellie Colburns Gesicht und ihre vorgebeugte Haltung ließen erahnen, dass sie kein leichtes Leben geführt hatte. Obwohl sie erst um die sechzig Jahre alt sein musste, wirkte sie gut zwanzig Jahre älter.
Mit arthritischen Fingern hielt sie die Haustür fest und musterte prüfend ihren Besucher. “Was wollen Sie, Matt?”
Nicht gerade die netteste Begrüßung der Welt, aber zumindest hatte sie ihm nicht die Tür vor der Nase zugeschlagen. “Guten Tag, Ellie. Ich habe gehofft, Sie hätten ein wenig Zeit, mit mir zu reden.”
Misstrauische Augen fixierten ihn. “Worüber?”
“Steven Hatfield.”
“Der Mann ist tot. Können Sie ihn nicht in Frieden ruhen lassen?”
“Nicht, dass ich respektlos sein möchte, Ellie, aber Sie haben doch bestimmt schon gehört, dass ich versuche, den Mord an Steven aufzuklären.”
“Habe ich gehört.”
“Deshalb bin ich hergekommen – nicht, weil ich denke, Sie hätten Steven umgebracht”, fügte er eilig hinzu, als sie Anstalten machte, die Tür zuzudrücken, “sondern weil sein Tod möglicherweise mit dem Verschwinden von Felicia in Zusammenhang steht.”
Langsam öffnete sich die Tür wieder. “Wer hat Ihnen das erzählt?”
“Darf ich reinkommen? Bitte? Ich finde, wir sollten das nicht an der Haustür besprechen, meinen Sie nicht auch?”
Sie öffnete die Tür, um ihn hereinzulassen, bat ihn jedoch nicht ins Wohnzimmer. Sie schien das Gespräch gleich an Ort und Stelle hinter sich bringen zu wollen – in einem kleinen, spärlich möblierten Flur, von dessen Decke ein Kronleuchter baumelte. Das Haus roch angenehm nach frischem Tannenholz. Elli selbst sah proper aus in ihren billigen, aber sorgfältig gebügelten Baumwollhosen, einer gestärkten weißen Bluse und Turnschuhen.
“Man hat mir erzählt, dass Steven sich in der Stadt nach den Umständen von Felicias Verschwinden umgehört hat. Da habe ich mich gefragt, ob er auch zu Ihnen gekommen ist.”
“Und was, wenn's so wäre? Was würden Sie dann tun? Da weitermachen, wo er aufgehört hat, damit man Sie auch umbringt?”
Na, wenn das keine interessante Bemerkung war. “Glauben Sie, dass Steven wegen seiner Neugier umgebracht worden ist?”
“Was tut das schon zur Sache, was ich denke? Mir glaubt sowieso niemand. Als ich von dem Mord an Steven erfuhr, habe ich der Polizei von seinem Besuch erzählt. Sie haben jedes Wort, das ich gesagt habe, aufgeschrieben, und danach habe ich nie wieder etwas von ihnen gehört.”
“Mit wem haben Sie gesprochen?”
Mit Rob Montgomery. Er sagte, er würde mit dem Polizeichef darüber reden, aber das hat er nicht. Und wenn doch, hat es Josh anscheinend nicht genug interessiert, um die Sache weiterzuverfolgen.”
“Ich werde nachhaken, ob Rob mit Josh Nader gesprochen hat, Ellie. Das verspreche ich Ihnen. Aber wären Sie in der Zwischenzeit bereit, mir zu helfen?”
Sie musterte ihn mit ruhigem festen Blick. Sie war keine Frau, die sich leicht einschüchtern ließ. Ihr Schicksal war hart gewesen, doch sie hatte sich nie unterkriegen lassen. Matt sah einen Funken von Interesse in ihren abgeklärten braunen Augen aufleuchten – und dazu noch einen Funken von etwas, dass, so vermutete er, sie seit zwanzig Jahren nicht mehr verspürt hatte – Hoffnung.
“Ich habe schon viel von Ihnen gehört”, sagte sie schließlich. “Die Leute sagen, Sie seien clever und dickköpfig.”
Matt lächelte. “Mein Vater würde das bestimmt unterschreiben.”
Ihre Miene entspannte sich. “Werden
Weitere Kostenlose Bücher