Wo die Wahrheit ruht
Sie meinen Jungen aus dieser Klapsmühle herausholen?”
“Ich will es versuchen.”
“Er ist alles, was ich habe, müssen Sie wissen. Den Sinn meines Lebens habe ich verloren, als sie Dusty abgeholt haben.”
Einen Funken des alten Geistes hatte sie sich aber offenbar bewahrt. “Hat er je versucht, Ihnen zu erzählen, was an dem Abend passiert ist?”
“Er redet nicht mehr. Entweder kann er es nicht, oder er will es nicht. Die Ärzte sagen, nach einem traumatischen Schock kommt das manchmal vor. Das ist Dustys Methode, das, was er gesehen hat, nicht noch einmal durchleben zu müssen.”
Matt registrierte, dass sie gesagt hatte,
was er gesehen hat
, nicht
was er getan hat.
“Sie scheinen von der Unschuld Ihres Sohnes überzeugt zu sein.”
“Ich
weiß
, dass mein Sohn unschuldig ist. Der Junge mag manchmal ein wenig aufdringlich gewesen sein, besonders in Anwesenheit von Mädchen, aber er hätte nie einer Seele etwas zuleide tun können, und schon gar nicht Felicia. Er hat das Mädchen vergöttert.” Verbitterung spiegelte sich in ihrem Gesicht. “Nicht, dass sie ihr Schicksal verdient hätte, aber das Mädchen war durch und durch niederträchtig.”
“Wie geht es Dusty zurzeit?”
Ellie zuckte die Achseln. “Gelegentlich plagen ihn Albträume, aber er schreit dann nur. Er sagt nie etwas. Lesen tut er allerdings viel, am liebsten Comics, so viele ich nur auftreiben kann.”
“Besuchen Sie ihn oft?”
“Täglich. Er ist schließlich mein Sohn. Er braucht mich.”
“Hat ihn sonst noch wer besucht?”
“Steven hat ihn besucht, ein einziges Mal. Ich hatte ihm gesagt, dass es zwecklos sei, aber er hat darauf bestanden, also habe ich ihn mitgenommen.”
“Was ist passiert?”
“Was ich ihm prophezeit hatte. Nichts. Dusty hat kein einziges Wort gesagt. Während des gesamten Besuchs saß er einfach nur da und blätterte in seinen Comic-Heften, während Steven versuchte, ihn zum Reden zu bringen. Danach habe ich Steven nicht mehr wiedergesehen.”
“Hat er Ihnen erzählt, warum er sich so sehr für Felicias Verschwinden interessierte?”
“Ich habe ihn danach gefragt. Er hat mir dann so eine blödsinnige Geschichte aufgetischt, dass ihn die Vergangenheit von New Hope interessiere.”
“Das haben Sie ihm nicht abgekauft?”
“Verdammt, natürlich nicht, aber das war mir egal. Ich dachte mir, wenn er nur lange genug herumstochert, würde er irgendwann etwas ausgraben, das die Unschuld meines Jungen beweist. Nachdem er umgebracht wurde, bin ich daher auch zur Polizei gegangen. Ich dachte, an der Sache ist etwas faul, aber ich wusste nicht, was.”
“Wissen Sie, ob Steven noch mit jemand anderem über die Sache geredet hat?”
“Er hätte gerne mit Cliff Barnard gesprochen, aber Cliff ist bereits seit acht Jahren tot.”
“Er war derjenige, der Dusty und Felicia damals an der Route 32 zusammen gesehen hatte.”
“Genau. Sie wollte trampen. Nachts um elf.” Ellie schüttelte missbilligend den Kopf. “Was dieses Mädchen alles angestellt hat. Sie hat ihre Mutter in den Wahnsinn getrieben. Es ist ein Wunder, dass sie nicht schon früher umgebracht wurde.”
“Sie glauben, sie ist tot?”
“Ein hübsches Ding wie sie bleibt nicht zwanzig Jahre lang verschwunden. Irgendjemand hätte sie irgendwo gesehen.”
So dachten alle. “Dann sind Sie also im Moment die Einzige, die Dusty besucht?”, fragte er.
“Außer Pastor Donnelly. Er ist so gut zu Dusty. Er besucht ihn immer noch regelmäßig – jede Woche. Ich glaube, er hat in den vergangenen zwanzig Jahren keine einzige Woche ausgelassen.”
“Wie bitte? Der Pastor wurde doch vor achtzehn oder neunzehn Jahren versetzt, oder nicht? Er ist doch erst vor Kurzem nach New Hope zurückgekehrt, richtig?”
Ellie nickte. “Ein Jahr nach Dustys Einweisung in das psychiatrische Krankenhaus wurde Pastor Donnelly nach Harrisburg versetzt. Dort hat er mehrere Jahre verbracht und wurde dann in eine kleine Gemeinde in Lancaster County geschickt. Schließlich ist er jedoch als Pastor nach New Hope zurückgekehrt.”
“Und er hat Dusty auch in der Zeit regelmäßig besucht, als er gar nicht mehr in der Nähe wohnte? Sogar als er in Harrisburg wohnte?”
“Ganz genau, er hat nicht einen Besuch ausgelassen. Können Sie sich das vorstellen? Vor ein paar Jahren hat er Dusty sogar seine persönliche Bibel überlassen, die er zum Abschluss seines Priesterseminars bekommen hatte. Dusty ist nie sonderlich religiös gewesen, aber aus einem
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