Wo die Wahrheit ruht
zugetraut.”
Gemeinsam verfolgten sie, wie Josh Nader noch eine letzte Frage beantwortete, sich dann umdrehte und ins Revier zurückkehrte.
Rob Montgomery hatte gerade den Hörer wieder eingehängt. “Paul Doone hat angerufen”, wandte er sich an seinen Chef.
“Es geht sicher wieder um diesen Streit mit seinem Nachbarn um die korrekte Position des Zaunes. Sag ihm, er soll sich an einen Landvermesser wenden und die Sache klären. Ich habe im Moment keine Zeit, mich um solche Lappalien zu kümmern.”
“Es geht nicht um den Zaun. Er sagt, er habe einen Pick-up beobachtet, der zu der Zeit, als Matt und Grace die Leiche gefunden haben, mit Vollgas über die Main Street davongerast ist. Er glaubt, der Wagen sei dunkelgrün gewesen.”
Grace erstarrte. “Dann könnte es sich um denselben Wagen handeln, der Bernie in den Fluss gedrängt hat.”
Nader schüttelte energisch den Kopf. “Das lässt sich nicht so einfach behaupten.”
“Warum hätte er denn sonst mit Vollgas über die Main Street davonrasen sollen?”
“Hör auf mich zu nerven, okay, Matt? Und hör auf, mir zu sagen, wie ich meine Arbeit zu machen habe.”
Matt hob kapitulierend die Hände. “Tut mir leid. Ich hatte den Eindruck, du wolltest, dass ich dir helfe.”
“Tue ich nicht.”
“Na dann verschwinden wir jetzt besser.” Matt nahm Grace' Arm. “Pass gut auf Bernie auf”, sagte er im Hinausgehen.
“Sind Sie sicher, dass Bernie da drinnen gut aufgehoben ist?”, fragte Grace, als sie wieder in Matts Jeep saßen.
“Ich hatte gehofft, mein Vater wäre noch da, damit er ein Auge auf ihn haben könnte. Sie haben ihn aber mittlerweile ins Bezirksgefängnis verlegt.” Er tätschelte ihre Hand. “Machen Sie sich um Bernie keine Sorgen, okay? Er ist zäher, als er aussieht. Haben Sie ihn beobachtet, als Rob ihn abgeführt hat? Er war die Ruhe selbst.”
“Dank Ihnen. Das Gespräch von Mann zu Mann, das Sie mit ihm geführt haben, hat Wunder bewirkt, was sein Selbstvertrauen angeht. Was haben Sie ihm eigentlich gesagt?”
Matt setzte den Jeep in Bewegung. “Es wäre kein Gespräch von Mann zu Mann mehr, wenn ich es Ihnen jetzt erzählte, nicht wahr?”
“Stimmt.” Sie lehnte sich in den Sitz zurück und unterdrückte ein Gähnen.
Matt warf ihr einen Blick zu. “Müde?”
“War ein harter Tag.”
“Macht es Ihnen wirklich nichts aus, alleine zu Hause zu sein? Sonst bleibe ich gerne noch da.”
Grace lachte. “Wirke ich so mitgenommen?”
“Machen Sie Witze? Sie sind unerschütterlich wie ein Fels. Ich dachte nur, Sie hätten vielleicht gern ein bisschen Gesellschaft.”
“Falls ja, werde ich Denise anrufen. Sie wirkte ein wenig beleidigt, als Sie ihr gesagt haben, dass
Sie
bei mir bleiben würden.”
“Ich fürchte, an ihre Gefühle habe ich dabei keinen Gedanken verschwendet, aber Sie haben recht. Ich hätte sie nicht so schroff abblocken dürfen.” Er bog in die Einfahrt zum Cottage. “Da wären wir.”
“Danke, Matt. Und danke auch, dass Sie solche Geduld mit Bernie gezeigt haben.”
Er packte einen Zipfel ihrer Jacke und zog Grace zu sich heran: “Gibt es nicht bessere Wege, mir deine Dankbarkeit zu zeigen?”, flüsterte er.
Sie lachte nervös. Wie lange mochte es her sein, seit sie sich zuletzt in der diffizilen Kunst des Flirtens geübt hatte? Ein Jahr? Mehr? Was, wenn sie etwas Dummes sagte? “Jetzt, da du es erwähnst …”
“Sch! Genug geredet.” Seine Hände glitten in ihren Nacken, und er zog sie noch dichter an sich.
Sie hätte nicht sagen können, was sie mehr verblüffte, die Leidenschaft seines Kusses oder die Art, wie er sie allein durch die Berührungen seines Mundes dazu brachte, ihre Lippen zu öffnen.
Alarmglocken schrillten in ihrem Kopf, und ihr alter Vertrauter, die Stimme der Vernunft, versuchte, sich in ihr Bewusstsein zu bohren.
Ausgeschlossen, dass er wirklich so toll ist, wie er scheint. Mit ihm stimmt was nicht. Das hast du doch schon oft genug erlebt. Mach einen Rückzieher, bevor es zu spät ist.
Es wäre ganz einfach gewesen. Ein Stups vor seine muskulöse, starke, wahnsinnig attraktive Brust, und er würde sich verabschieden. Doch Grace registrierte verwundert, dass sie sich ihm entgegenlehnte und seinen Kuss erwiderte, während die Stimme in ihrem Hinterkopf weiterhin Alarmsignale aussendete.
Doch Grace ignorierte sie alle. Überwältigt von Gefühlen und von einer Sehnsucht, die sie schon seit Ewigkeiten nicht mehr empfunden hatte, erschauderte sie und spürte, wie
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