Wo die Wasser sich finden australien2
regelmäßig zusammen, steckte sie zurück in den Umschlag und legte sie auf den Stapel in einem Schuhkarton. Der Stapel wuchs schnell. Nicht so sehr durch Toms Briefe, sondern vor allem durch die Schreiben ihrer Mutter. Frankie schrieb in großen, chaotischen Krakelbuchstaben, während sie durch die Stadt hetzte. Mehrmals hatte sie in ihren unzusammenhängenden Briefen einen Mann namens Peter erwähnt, und Rebecca konnte daraus ablesen, dass Peter für ihre Mutter endlich die ersehnte Ablenkung von der fast besessenen Konzentration auf ihre Arbeit als Tierärztin darstellte. Auch wenn Rebecca gern Briefe von ihrer Familie erhielt, wurde sie an den Posttagen von einem leichten Unbehagen erfüllt.
Sie wusste, warum, konnte es sich aber nur schwer eingestehen. Sie hoffte jedes Mal auf einen Brief ihres Vaters. Einen, in dem stand: »Komm heim.«
Daves Stimme riss sie aus ihren Gedanken.
»Wie wär’s mit einem Dim Sim aus der Raststätte?«, fragte er.
»Gute Idee. Und dazu einer Rum-Cola aus dem Pub!«, gab sie grinsend zurück. Sie rasten über die blaugraue Straße durch eine von der Sonne vergoldete Landschaft.
Es war beinahe Mitternacht, doch Rebecca hatte keine Ahnung, wie spät es war, und interessierte sich auch nicht dafür. An ihren Subaru gelehnt, schlüpfte sie aus den schwarzen Schuhen und warf sie auf die Ladefläche des Pick-ups. Dann kramte sie in ihrer Reisetasche, bis sie ein Paar rote Fußballsocken und ihre Arbeitsstiefel gefunden hatte.
»Aaahh! Das ist besser.« Sie stampfte auf, um mit der Ferse in den Stiefel zu rutschen.
Nicht weit von ihr entfernt stand ein Jüngling mit struppigem Haar am Zaun und pinkelte ausgiebig.
»Mach hin, Johnno!«, rief Rebecca ihm zu. Rülpsend und furzend zugleich zog er den Reißverschluss seiner Anzughose hoch.
»Brauch noch mehr Rum«, lallte er und schlang den Arm um ihren Hals. Über Steine stolpernd und eingetrocknete Schafsköttel kickend, traten sie beide den Weg über die kahle Koppel auf Wilmot Station an. Lachend. Flirtend.
Vor ihnen bebte der Scherstall unter der lauten Musik. Die Lichter strahlten nach draußen und beleuchteten die Randbereiche der Party. Versprenkelt standen Gäste herum, an den Pferchen, den tragbaren Toiletten, Kühllastwagen und Essensständen.
Der Himmel in ihrem Rücken war tintenschwarz und mit einer Zuckergussglasur aus glitzernden Sternen überzogen. Becs Blick wurde nach oben gelenkt, als Johnno sie herumwirbelte und seine rumfeuchten Lippen auf ihren Mund presste. Sie legte den Kopf in den Nacken und gab sich, den blauen Plastikbecher fest in der Hand haltend, dem angenehmen Gefühl hin, seine Zunge in ihrem Mund zu spüren. Er schmeckte nach Schweiß und Alkohol. Weil er sich etwas zu fest auf sie stützte, taumelten beide lachend rückwärts. Ihre Augen strahlten, und auf ihrem Gesicht glühte ein breites Lächeln.
»Wie heißt du noch mal?«, fragte er sie.
Während sie die steile Rampe zum Stall hochstiegen und auf den Rost traten, war Rebecca von kribbelnder Seligkeit erfüllt. Im Stall war es rappelvoll. Angetrunkene Jungs im Abendanzug schütteten sich mit Rum zu. Mädchen in bunten Kleidern lachten und kreischten, von Cola-Rum beflügelt, unter verschwitzt strähnigen Haaren.
Ein rotgesichtiger Junge kam direkt auf sie zu. Rebecca sah, wie er eine Tube Lebensmittelfarbe in seinen Mund quetschte
und einen Mundvoll aus einem Plastikbecher mit gelbem Bier nahm. Dann rannte er auf Johnno los, hielt ihn an beiden Armen fest und besprühte sein Gesicht mit roter Farbe.
»Arnie! Du Ratte!« Schon setzte Johnno dem Angreifer quer durch die Menge nach.
»Wenn die Lebensmittelfarbe zum Einsatz kommt, fängt die Party erst richtig an«, hörte sie eine Stimme in ihrem Rücken.
Das war Sally, die vier Plastikbecher mit Rum in den weit gespreizten Fingern hielt.
»Heilige Mamma, Sal, du siehst total breit aus!«
»Ich bin so viel Rum nicht gewöhnt«, lallte Sally.
»Bockmist! Soweit ich aus deinen Briefen lesen konnte, hast du nichts getan, außer zu bechern und mit Jungs rumzumachen !«
»Von wegen! Nicht seit ich im ersten Semester in einem Kurs durchgefallen bin. Seitdem bin ich praktisch trocken. Kein Rum mehr. Kaum noch Jungs. Ich habe mich dem Streben nach Vollkommenheit verschrieben!«
»Mann, ich bin echt froh, dass du im Moment nicht nach Vollkommenheit strebst. Danke, dass du mich besuchst. Ich freue mich so, meine beste Freundin zu sehen.«
»Das war jetzt fast ein volles Jahr! Und nachdem ich
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