Wo die Wuerfel fallen
extrem standesbewussten, machohaften Männerwelt |74| des Spätmittelalters zu einer quasi militärischen Anführerin und zur Retterin Frankreichs werden konnte, bleibt ein Rätsel, aber es ist eine historische Wahrheit.
Das um 1412 geborene Mädchen war die Tochter des Bauern Jacques Darc. Etwa mit 13 Jahren will sie Engels- und Heiligenvisionen gehabt haben, die ihr befahlen, Frankreich von den Engländern zu befreien und den Dauphin, den französischen Thronfolger, nach Reims zu führen. Im März 1429 sprach sie bei ihm vor. Wie sie Karl VII. von ihrer Mission überzeugen konnte, ist nicht bekannt. Nach einer ausführlichen Prüfung ihrer Glaubwürdigkeit unter anderem durch Geistliche sowie ihrer Jungfräulichkeit durch Hofdamen erhielt sie eine Rüstung. Unter ihrer Leitung gelang es einem kleinen Versorgungstrupp, in das eingeschlossene Orléans vorzudringen. Dies motivierte die französischen Truppen erheblich, sodass sie, angeführt von Jeanne d’Arc, im Mai die Engländer angriffen. Diese traten rasch den Rückzug an. Die Befreiung von Orléans brachte für die Franzosen, die sich in einer scheinbar aussichtslosen Lage befanden, die entscheidende Wende in der Schlussphase des Hundertjährigen Krieges gegen die Engländer. Im Juli geleitete Jeanne (damals »Jehanne«) den Dauphin nach Reims. Am 17. Juli stand sie neben dem Altar, als Karl VII. in der Kathedrale gekrönt wurde. Gegen den Willen des Königs gelang ihr anschließend noch die Befreiung von Paris. Im Mai 1430 wurde sie von den Burgundern, den Verbündeten der Engländer, festgenommen und schließlich an diese ausgeliefert. In einem Kirchenprozess wurde sie als Ketzerin verurteilt und im Mai 1431 auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Die Prozessakten sind zum größten Teil erhalten und zeigen Johanna als eine von ihrer Mission felsenfest überzeugte und erstaunlich selbstbewusste Frau.
|75| Sagen & Sänger
Kyffhäuser
Im Jahr 1189 versammelte Kaiser Friedrich Barbarossa in Regensburg das größte Ritterheer, das jemals zu einem Kreuzzug aufbrach. Es waren zu Anfang 25 000 Kreuzfahrer. Auf dem Weg über den Balkan schwoll ihre Zahl auf rund 100 000 an. Anlass für diesen dritten Kreuzzug (1189 – 1199) war die Eroberung Jerusalems durch Saladin 1171. Der kurdischstämmige
Salah ad-Din
(1138 – 1193) war Sultan von Ägypten und herrschte auch über Syrien und den gesamten Nahen Osten. Er gilt als größter Held der islamischen Welt und ist wegen seiner Ritterlichkeit auch in Europa der bekannteste muslimische Herrscher.
Auf dem Weg ins Heilige Land ertrank Friedrich Barbarossa beim Bad in dem Fluss Saleph in der heutigen Türkei. Zunächst auf seinen überragenden Enkel, Kaiser Friedrich II., gemünzt, wurde die Kyffhäusersage bereits im späteren Mittelalter und insbesondere dann im 19. Jahrhundert mit Barbarossa in Verbindung gebracht. Sie ist eine der populärsten deutschen Sagen.
Wegen seines rätselhaften Todes auf dem Höhepunkt seines Lebens und seiner Macht – nicht einmal der Leichnam des Kaisers wurde im Saleph gefunden –, fantasierte man gerne, er sei entrückt worden. Er sei also nicht wirklich tot. Damit verbunden war natürlich die Vorstellung, er könne eines Tages wiederkommen, vorzugsweise als »Erlöser« in Zeiten der Not. Inhalt der Sage ist kurz gesagt, dass der Kaiser Rotbart in einer Höhle im Kyffhäuser, einem Bergrücken in Thüringen, auf einer Bank sitzt und dort seit Jahrhunderten schläft, während sein Bart längst durch den steinernen Tisch gewachsen ist, auf den er die Arme stützt. Der weiterwachsende Bart ist natürlich das Zeichen, dass er »noch lebt«.
Nibelungenlied
Anders als bei der Nibelungensage lässt sich zur Entstehung des Nibelungenlieds immerhin feststellen, dass es als schriftliche Aufzeichnung um 1200 im Gebiet südlich von Passau donauabwärts entstanden sein muss. Der Dichter ist namentlich nicht bekannt. Von der Dichtung existieren drei Handschriften |76| leicht unterschiedlichen Inhalts. Lange Zeit war das
Nibelungenlied
weitgehend in Vergessenheit geraten. Es kam erst durch den Zufallsfund des Lindauer Arztes und Bücherliebhabers Jacob Hermann Obereit wieder zum Vorschein, der 1755 in der Bibliothek des vorarlbergischen Schlosses Hohenems die »Handschrift C« entdeckte. 1779 fand sich dort auch die »Handschrift A«. Im Zeitalter der Aufklärung konnte man mit dieser Art von Literatur nichts anfangen; Friedrich der Große fand das
Nibelungenlied
1784 »keinen Schuss Pulver wert«.
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