Wo die Wuerfel fallen
des Erzbischofssitzes von Mailand 1075 entbrannte der Streit zwischen dem deutschen Kaiser, dem Salier Heinrich IV., und Papst Gregor VII. Beide hatten einen eigenen Kandidaten für das Amt und beide wurden eingesetzt. Der Streit wogte eine Weile hin und her. Jeder europäische Fürst musste den päpstlichen Rechtsstandpunkt des
Dictatus Papae
als Kampfansage betrachten. Heinrich IV. reagierte mit einem Brief an Gregor, in dem er ihn »nicht mehr Papst, sondern falscher Mönch« nannte und im Befehlston aufforderte, sein Papstamt aufzugeben: »Verlasse den apostolischen Stuhl.« Am Schluss wiederholte er zweimal: »Steige herab, steige herab!«
Darauf antwortete Gregor umgehend. Er erklärte den Kaiser für abgesetzt, belegte ihn mit dem Kirchenbann und exkommunizierte ihn. Die Exkommunikation galt im Mittelalter als härteste Strafe. Ein aus der Kirche Verbannter war ein Paria. Die deutschen Fürsten gerieten ins Wanken und drohten Heinrich nun ebenfalls mit der Absetzung, sollte er sich nicht mit dem Papst aussöhnen. Heinrich blieb nichts anderes übrig, als den Papst auf der Burg Canossa in der |68| Emilia Romagna aufzusuchen und um die Befreiung vom Kirchenbann zu bitten.
Canossagang
Das moderne Schlagwort vom Canossagang prägte Otto von Bismarck im Zusammenhang mit
seiner
Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche. Im Rahmen dieses »Kulturkampfes« wurden verschiedene Gesetze gegen die katholische Kirche in Deutschland beschlossen, die ihre Rechte und Machtposition einschränkten. In einer Reichstagsrede am 14. Mai 1872 sagte Bismarck: »Nach Canossa gehen wir nicht.« Heute wird die Redewendung gelegentlich noch für einen erniedrigenden Bittgang oder ein demütigendes Ereignis verwendet. Sie geht zurück auf den Bußgang Kaiser Heinrichs IV. im Zusammenhang mit dem Investiturstreit.
Mitten im Winter zu Beginn des Jahres 1076 überquerte der 2 6-jährige Kaiser zwar nicht im wortwörtlichen Alleingang, aber nur mit einer Handvoll Begleiter die Alpen. Da seine Gegner die deutschen Gebirgspässe besetzt hatten, wanderte er das französische Isèretal hinauf und über die schneebedeckten, vereisten Hänge des Mont Cenis. Dann stand er im Januar barfuß und im Büßergewand drei Tage lang ohne Schwert und Krone im Schnee vor der Burg Canossa, bevor er eingelassen wurde und die Versöhnungsgespräche mit Papst Gregor begannen. Dieser Ablauf war in vorausgegangenen Verhandlungen festgelegt worden und entsprach einem streng ritualisierten Bußvorgang. Mit ausgebreiteten Armen warf sich Heinrich schließlich dem Papst zu Füßen, schwor einen Eid, sich dessen Urteil zu unterwerfen und wurde dafür vom Kirchenbann befreit. Durch seinen Gang nach Canossa konnte Heinrich zwar seinen Thron retten, aber die demütigenden Umstände schädigten das Ansehen des deutschen Kaisertums in Italien nachhaltig.
Wormser Konkordat
Beigelegt wurde der Investiturstreit erst 34 Jahre später durch das Wormser Konkordat von 1122 zwischen dem Sohn von Heinrich IV., Kaiser Heinrich V., und Papst Calixtus II. Darin verzichtete der Kaiser nach weiteren langen Machtkämpfen und harten Verhandlungen – vor allem auf Druck der deutschen Fürsten – auf das Recht der Investitur mit Stab und Ring und behielt |69| nur das Recht, die Bischöfe und Äbte mit ihren weltlichen Rechten zu belehnen. Somit hatte die Kirche praktisch das alleinige Recht zur Besetzung dieser Ämter im Reich. Unter Konkordaten versteht man Verträge zwischen dem Heiligen Stuhl und anderen Staaten. Es war der deutsche Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 – 1716), der erstmals den Begriff »Wormser Konkordat« verwendete. Im Original hieß das Vertragswerk »Pactum«.
Kreuzzüge & Pilgerzüge
Reconquista
Das spanische Wort bedeutet Wiedereroberung. Gemeint ist die Rückeroberung Spaniens, das seit 711 größtenteils von den Arabern (Mauren) beherrscht wurde. Das christliche Königreich Asturien (später León) und dann auch Navarra, Aragón und Kastilien bekämpften ab 800 von Norden her jahrhundertelang das Reich der Mauren. Eine bedeutende Etappe war die Eroberung von Toledo 1085 durch König Alfons VI. (1040 – 1109) von Kastilien und León. Toledo war vor der maurischen Eroberung fast zweihundert Jahre lang Hauptstadt des christlichen Reiches der Westgoten gewesen. Alfons machte es umgehend zu seiner Residenz. Durch die Eroberung Toledos erwarb er sich den Beinamen »Spaniens Schild«.
Endgültig abgeschlossen wurde die Reconquista erst
Weitere Kostenlose Bücher