Wo die Wuerfel fallen
beraubten Kunst- und Bauwerke für die Originalfassung und entwickelte davon ausgehend seine Theorie von der erhabenen Einfachheit der klassischen antiken Kunst. Der entscheidende Satz in seinem Buch lautet: »Das allgemeine vorzügliche Kennzeichen der griechischen Meisterstücke ist endlich eine edle Einfalt, und eine stille Größe, sowohl in der Stellung als im Ausdrucke.« Mit »Einfalt« ist natürlich »Einfachheit, Schlichtheit« gemeint.
Der deutsche Klassizismus folgte diesem Missverständnis bereitwillig. Im ausgehenden 18. Jahrhundert war man des »schwülstigen«, »überladenen« Barock- und Rokokostils überdrüssig. Er wurde als Hofstil des »alten Regimes« abgelehnt. Man war in Aufbruchstimmung, man wollte unbedingt etwas Neues. Insofern kam Winckelmanns Buch genau zur rechten Zeit und das erklärt seinen durchschlagenden Erfolg.
|129| Dichter & Denker
Im Alter von 27 Jahren wurde Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832) an den Hof des Herzogs Carl August (1757 – 1828) nach Weimar berufen. Er war promovierter Jurist, seit 1771 als Anwalt in Frankfurt tätig und europaweit als Bestsellerautor (
Die Leiden des jungen Werthers
, 1774) bekannt geworden. Der Kontakt zum Weimarer Hof war über den Prinzenerzieher, Theologen, Sprach- und Geschichtsforscher Johann Gottfried Herder (1744 – 1803) zustande gekommen, den Goethe sehr bewunderte. Die beiden hatten sich während Goethes Studienjahr in Straßburg kennengelernt. Herder fand in der »urwüchsigen«, volksnahen Poesie der Vergangenheit Inspirationen für eine neue, lebendige Dichtkunst. Das richtete sich gegen die sehr verkünstelte, akademisch regelhafte Poeterei seiner Zeit. Von Herder angeregt, entdeckte auch Goethe die »Volksliteratur«, beschäftigte sich mit dem Alten Testament, nordischen Sagen wie
Edda
und
Ossian
, Shakespeare und dem gerade erst wiederentdeckten Homer. Die Rückbesinnung auf diese Vorbilder befeuerte nun die neue deutsche Literatur, die die Weimarer »Klassik« damals eigentlich war. Die ersten Werke, die aus jenem frischen Geist entstanden, waren Goethes
Götz von Berlichingen
(1773) und Friedrich Schillers
Räuber
(1781
);
verglichen mit den üblichen allegorischen Bühnenwerken der Zeit stellten sie in der Tat Gestalten aus Fleisch und Blut vor.
Um Goethe, Schiller und Herder bestand ein dichtes Geflecht weiterer »Dichter und Denker« in Weimar. Voraussetzung für die Weimarer Blüte war ferner ein sehr kulturinteressiertes Umfeld, das von der Herzoginmutter Anna Amalia und dem Goethe-Freund Großherzog Carl August wesentlich geprägt worden war. Carl August war das Musterbeispiel eines aufgeklärten Monarchen, ähnlich wie sein Fürstenkollege Leopold III., der im benachbarten Anhalt-Dessau das Wörlitzer Gartenreich schuf. Auch auf den etwas bedeutenderen Thronen in Potsdam und Wien saßen mit Friedrich II. und Joseph II. ausgesprochen kunstsinnige, aufgeklärte Herrscher.
|130|
Bücher, die Geschichte machten
Sturm und Drang
Friedrich Maximilian Klinger:
Sturm und Drang
(1776)
Der Titel dieses Dramas wurde zum literaturhistorischen Epochenbegriff. Er bezeichnet die deutsche Literatur des ausgehenden 18. Jahrhunderts, die sich von der hergebrachten »erlernbaren« akademischen Regelpoetik absetzte. Dem aufklärerischen Primat der Vernunft und des Verstandes wurden Natur, Herz, Trieb und Ahnung gegenübergestellt. Goethe, Schiller, Jakob Michael Reinhold Lenz, Klinger und andere suchten in ihren Werken dem Gefühl unmittelbaren Ausdruck zu verleihen und experimentierten mit neuen Formen. Klinger hatte ursprünglich für sein Drama den Titel »Wirrwarr« vorgesehen. Sein Freund, der Arzt Christoph Kaufmann, dem er das Stück vorlas, machte den Verbesserungsvorschlag.
Dichtung und Wahrheit
Johann Wolfgang von Goethe:
Dichtung und Wahrheit
(1811 – 1833)
Hierbei handelt es sich nicht um eine literaturtheoretische Abhandlung Goethes, etwa darüber, wie viel oder wenig Wahrheit die Dichtung enthält, modern gesprochen über Fiction und Non-Fiction. Das umfangreiche Werk, an dem Goethe fast sein Leben lang schrieb und das er immer wieder umarbeitete, ist seine Autobiografie, genauer gesagt die Schilderung seiner Kindheit und Jugend. In dem Werk, dessen erster Teil 1811 erschien, wollte er, um es kurz zu sagen, darstellen, wie er wurde, was er war. Eines der berühmtesten und klügsten Goethe-Zitate lautet: »Werde, was du bist.«
Das Ende des Alten Reiches
Reichsdeputationshauptschluss
Der
Weitere Kostenlose Bücher