Wo du nicht bist, kann ich nicht sein
ich dir das letzte jetzt mit der Nase über den Teller zuschieben«, sagte er.
Ich kicherte und wollte gerade sagen, dass wir uns lieber nicht zufällig die Enden von ein und derselben Spaghetti in den Mund stecken sollten, als ich hörte, wie jemand Freyas Namen sagte. Ein Mann in Kochjacke sprach mit unserer Kellnerin. Sie schüttelte den Kopf und er ging mit verärgerter Miene in die Küche zurück.
Jonathan winkte die Kellnerin zu uns.
»Ist Freya schon hier?«, fragte er. »Ich bin ihr Freund und müsste bitte mit ihr sprechen.«
»Nein, sie verspätet sich, aber das ist nichts Neues.« Die Kellnerin musterte ihn neugierig. »Und ich hatte gedacht, dieser andere Kerl wäre ihr Freund.«
»Was für ein anderer Kerl?«, sagte Jonathan sofort.
»In den letzten drei Wochen ist an jedem Abend, an dem Freya gearbeitet hat, so ein Typ da gewesen. Und sie ist immer an seinen Tisch gegangen und hat mit ihm geredet.«
»Wie sah er aus?«, fragte ich.
»Anfang zwanzig, längere dunkle Haare, gut aussehend, ein bisschen ungepflegt. Sie wollte mir nichts verraten, aber ich hatte den Eindruck, dass sie zusammen waren.«
»Könnten Sie mir Bescheid geben, wenn sie kommt?«, sagte Jonathan. Die Kellnerin nickte und ging wieder.
Jonathan malte mit seinem leeren Glas Kreise auf die Tischplatte. »Was tu ich hier eigentlich? Sie betrügt mich und trotzdem dreh ich fast durch vor Sorge um sie. Ist fast so wie mit mir und meiner Mutter. Man macht sich Gedanken, weil man nicht so tun kann, als sei nichts gewesen, und dagegen kommt man dann nicht an.«
Mit dir geht es mir genauso, dachte ich traurig.
»Das mit diesem Adam war eine Sackgasse. Er ist nicht Freyas neuer Freund, die Beschreibung passt nicht. Gott, mit wie vielen Typen hat sie eigentlich noch geflirtet?«
»Keine Ahnung. Frag sie, wenn sie auftaucht.«
Jonathan sah mich. »Hör mal, du solltest langsam nach Hause fahren. Dein Dad regt sich womöglich schon total auf.«
»Geht schon in Ordnung. Er ist mit Petra nach Paris gefahren. Langes Wochenende.«
»Im Moment scheinen alle Urlaub zu machen.«
»Na ja, nächste Woche sind Ferien. Egal, Olivia hat jetzt das Kommando zu Hause, aber wahrscheinlich ist sie mit Mr Wunderbar aus. Es interessiert also keinen, was ich mache.« Ich zögerte eine Sekunde, dann legte ich die Hand auf seinen Arm. »Der Plan ist folgender: Wir warten hier noch eine Weile. Wenn Freya nicht auftaucht, kommst du mit und übernachtest bei uns, und morgen suchen wir weiter.«
»Bist du sicher?«
»Na klar.« Schon als ich das sagte, fragte ich mich, was in aller Welt ich da eigentlich machte. Olivia würde ausrasten, wenn ich einen fremden Jungen mit nach Hause brachte.
»Danke. Ich hab auch echt keinen Bock, mich jetzt noch auf den Heimweg zu machen. Oh ScheiÃe!« Jonathan zuckte zusammen. »Meine Eltern wissen überhaupt nicht, wo ich bin. Die werden sich fragen, warum ich nicht vom College nach Haus gekommen bin.« Er holte sein Handy heraus und drückte eine Kurzwahlziffer. »Hi, Mum? Ich binâs. Hör mal, äh, das hört sich jetzt vielleicht komisch an, aber ich bin gerade in London, heute Nacht komme ich also nicht nach Hause. â Was? â Nein, ist okay. Ich bin ⦠ich bin bei Freya. Wir müssen ein paar Sachen klären. War was Spontanes. â Nein, ich lauf nicht wieder allein rum, ehrlich nicht. Okay? Tschüss.«
Er legte das Telefon hin und guckte mich verlegen an. »Sie hätten es nicht gern, wenn ich bei Leuten übernachte, die sie nicht kennen.«
Es war ganz schön merkwürdig zu sehen, wie Jonathan sich von seinen Eltern aus dem Konzept bringen lieÃ. Bisher war er in meinen Augen so erwachsen gewesen und hatte über solchen Dingen gestanden.
Mittlerweile war es halb sieben â und Freya war immer noch nicht in Sicht. Wir warteten bis acht, dann erkundigten wir uns bei der Kellnerin, ob sie sich gemeldet hatte. Als wir hörten, dass sie es nicht getan hatte, gestanden wir uns unsere Niederlage ein.
Um halb zehn kamen wir schlieÃlich aus der U-Bahn-Station West Finchley. Als wir uns meiner StraÃe näherten, sagte ich: »Ich glaub nicht, dass Olivia es gut findet, wenn ich dich mit nach Hause bringe. Also schleichen wir uns am besten heimlich nach oben in mein Zimmer.«
Jonathan sah mich überrascht an und ich kam mir
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