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Wo geht's hier nach Arabien

Titel: Wo geht's hier nach Arabien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Springer
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untergebracht war und während der Nazizeit als antifaschistische Zelle galt. » Alle übrigen, die im Seminar aus- und eingingen, angefangen von der Putzfrau, waren überzeugte Antifaschisten und brachten ihre Gesinnung auch unverblümt zur Geltung. Der › deutsche Gruß‹ z. B. war in meinem Seminar unbekannt«, schreibt Scharff in einem Bericht. Scharff wurde denunziert und litt unter schlimmen Anfeindungen, aber er überlebte.
    Wer sich heute auf Thomas Manns Spuren nach Theben und in das Tal der Könige begibt, könnte im 3400 Jahre alten Hatschepsut-Tempel Eingravierungen aus neuerer Zeit entdecken. Dort sollten die Namen der 58 Todesopfer, hauptsächlich Schweizer, eingeritzt werden, die im November 1997 in dieser Tempelanlage erschossen wurden. Sie sollen künftigen Generationen in Erinnerung bleiben, denn sie seien » ein Teil der ägyptischen Geschichte« geworden, schreibt die Regierungszeitung The Egyptian Gazette. Die sechs Mörder konnten nur gestellt werden, weil sich die Bewohner des Dorfes neben dem Tempelbezirk sofort an die Verfolgung gemacht haben.

Susanne Osthoff
    Wo: Irak
    Wann: Winter 2005
    Warum: Geisel
    Wenn wir schnell mal Bargeld brauchen, gehen wir zum nächsten EC-Automaten und holen es uns. Dazu braucht man eine EC-Karte, eine PIN und einen Automaten, der ausnahmsweise nicht » Außer Betrieb« ist. Im Irak funktioniert die Geldbeschaffung auch ohne Geldautomat. Zu jeder passenden Gelegenheit kann man dort ein Auto anhalten, eine fremde Person aus dem gestoppten Wagen in den eigenen Kofferraum umladen und Lösegeld dafür verlangen. Wenn die gekaperte Person aus Europa ist, geht es dabei nicht um Kleinbeträge, sondern um Millionen. Das funktionierte im Irak meistens ganz gut.
    Als die Münchner Archäologin Susanne Osthoff im November 2005 im Kofferraum eines irakischen Autos verschwand, war der Irak bereits zweieinhalb Jahre von amerikanischen Truppen besetzt. » Unsere Armeen kommen nicht in eure Städte und euer Land als Eroberer oder als Feind, sondern als Befreier. Einwohner Bagdads, vergesst nicht: Seit 26 Generationen leidet ihr unter fremden Tyrannen, die alles dafür taten, dass ein arabisches Haus gegen ein anderes stand, damit sie von eurer Uneinigkeit profitieren konnten. Diese Politik ist abscheulich für Großbritannien und seine Alliierten, denn es kann weder Frieden noch Wohlstand geben, wo Feindschaft oder eine schlechte Regierung herrscht.« Diese Worte stammen natürlich nicht von George Bush, sondern von dem britischen General Maude, der im Jahr 1917 Bagdad eroberte. Am 7. April 2003 kamen die nächsten Befreier nach Bagdad. Als erste amerikanische Truppeneinheit marschiert die 3. US-Infanteriedivision in die Stadt ein. Sie blickt auf eine lange Tradition im Wüstenkampf zurück, im Zweiten Weltkrieg kämpfte sie in Tunesien gegen Rommel.
    Seit 2003 herrscht im Irak aber nicht Friede, Freude, Eierkuchen, sondern Angst vor dem nächsten Sprengstoffanschlag. Die Söhne des Diktators sind bereits tot, Saddam Hussein selbst wird im Januar 2004 aus einem Erdloch gezerrt und vor Gericht gestellt. Er ist unbewaffnet, Massenvernichtungswaffen hat er keine dabei.
    Das Land von Euphrat und Tigris trudelt ins Chaos. Sunniten, Schiiten und Kurden mögen sich nicht. Die Saddam-Anhänger mögen alle nicht. Die Amerikaner mag sowieso keiner.
    Seit Kriegsende kamen etwa 100 000 Iraker gewaltsam ums Leben, drei Millionen sind heimatlos und auf der Flucht. Es ist ein Elend, wohin man schaut.
    Deshalb die Frage an Susanne Osthoff: Muss man dahin?
    Die deutschen Medien stürzen sich hinterher auf Susanne Osthoff. Das hatte zwei Gründe: Endlich sind auch Deutsche in die langsam immer öder gewordenen Irak-Nachrichten verwickelt. Zweitens lieben wir Gruselgeschichten.
    Doch Susanne Osthoff ist eine Spielverderberin.
    Sie sitzt als Gast bei Kerner und Beckmann, die taz, der Stern und die FAZ rufen an, und alle wollen nur eines hören: » Der Schock ist zu groß. Ich gehe da nie wieder hin.«
    Im Umgang mit Medien ist Susanne Osthoff nicht geübt. Sie ist von Beruf Archäologin, gräbt alte Dinge aus, sucht Geldgeber für die Ausgrabungen und versucht sich für die gebeutelten irakischen Kriegsüberlebenden einzusetzen. In einem gut ausgeleuchteten Fernsehstudio zu hocken, angestarrt von hunderttausenden unsichtbaren Fernsehzuschauern, die auf eine blutrünstige

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