Wo geht's hier nach Arabien
sich sehr für Ãgyptisches und hatte schon viel darüber gelesen, sein Lieblingsbuch hieà Das alte Wunderland der Pyramiden. Eines Tages wollte der Religionslehrer von seinen Schülern wissen, welchen Namen der heilige Stier bei den Ãgyptern hatte. Heute würde bei so einer Frage die ganze Elternschaft dem Religionslehrer ein Schreiben eines Anwalts zukommen lassen. Neben schulischem Rausschmiss, disziplinarischer Einzelhaft und biblischer Folter würde beiläufig gedroht werden, dass vom Lehrplan abweichende Fragen für ihren Sprössling nicht zulässig seien. Und den Kultusminister kenne man persönlich!
Doch Thomas Mann meldete sich gehorsamst und sagte: » Chapi.« Er wurde vom Religionslehrer streng ermahnt, das nächste Mal die Klappe zu halten, wenn er schon nicht Bescheid wüsste. Den Stier nannte man nämlich » Apis«. Was der Lehrer nicht wusste: » Apis« ist die lateinische Form von » Chapi«, und der Schüler Thomas hatte mal wieder Recht.
» Ich schwiegâ und habe mir mein Leben lang dieses Verstummen vor falscher Autorität nicht verziehen«, erzählte der Schriftsteller 1942 während eines Vortrags.
Bis auf einen Tagesausflug nach Theben bleibt Thomas Mann die ganze Zeit in Kairo. Die frisch ausgegrabenen Schätze aus dem Grab des Tutanchamun faszinieren ihn. Er ist gut vorbereitet für die Fahrt nach Süden, in das Tal der Könige. So wie es heute noch auf jedem Reiseplan steht, werden Königsgräber besucht. Es ist dort stickig und feucht, und wie jeder vernünftige Reisende fragt sich auch Thomas Mann, ob es nicht ein wenig unanständig sei, durch Grabstätten zu latschen, die geplant und gebaut waren für die ewige Ruhe der Verstorbenen. Aber die Neugier siegt.
Dann passiert ein kapitales Missverständnis. Thomas Mann wähnt sich in einer Grabkammer von Amenophis IV., » an dessen glasbedeckter Mumie im Porphyrsarg ich lange in Rührung stand«. Amenophis IV., den Thomas Mann hier fälschlicherweise zu sehen glaubt, ist der berühmte Pharao Echnaton, der in Ãgypten den Glauben an den einen Gott eingeführt hatte. In seinem Josephs -Roman wird er eine entscheidende Rolle spielen. Doch wenn überhaupt ein Pharao in dem erwähnten Sarg lag, dann war es ein anderer Amenophis, der zum Schutz vor Grabräubern in dieser Kammer vorübergehend abgestellt worden war. Thomas Manns Ergriffenheit ist zwar rührend, doch womöglich hat ihm sein ägyptischer Guide, der über die Echnaton-Hysterie der Europäer Bescheid wusste, absichtlich Quatsch erzählt, oder Thomas Mann hatte einen schlechten Ãbersetzer dabei. Hätte er die simple Wahrheit vor Ort erfahren, wäre Joseph und seine Brüder vielleicht wirklich nur eine kleine Novelle geblieben.
Die Urgeschichte des Joseph stammt aus der Bibel. Etwa um 400 vor Christus schreibt jemand die Begebenheiten auf, die später sogar im Koran einen Platz finden. Joseph wird von seinem Vater Jakob bevorzugt und deswegen von seinen Brüdern natürlich gehasst. Sie werfen ihn in eine Zisterne. Doch er überlebt. Jetzt wollen sie ihn endgültig loshaben und verkaufen ihn an Potiphar, den Kämmerer des Pharao, nach Ãgypten. Dort verliebt sich die vernachlässigte Frau des Kämmerers in den schönen fremden Jüngling und will ihn verführen. Aber der keusche Joseph lehnt ab. Aus Wut darüber wird er kurzerhand von ihr der Vergewaltigung bezichtigt. Er kommt ins Gefängnis, darf aber dem Pharao einen merkwürdigen Traum deuten. Damit ist er rehabilitiert.
Dann kommt noch eine groÃe Hungersnot, die Josephs böse Brüder nach Ãgypten zum Getreidekauf lockt. Am Ende sind alle miteinander versöhnt, und die Historiker untersuchen bis heute, wer dieser Joseph war. Die verschiedenen Episoden der Erzählung inspirierten die Kunstwelt zu Opern, Ãlgemälden, Theaterstücken und eben Thomas Mann zu einem Roman.
Akribisch vertieft er sich in das Thema. Er nimmt Kontakt auf zu den besten Ãgyptologen und Orientalisten seiner Zeit. An einer Stelle des Romans tauchen sogar echte Hieroglyphen auf. Vier Bildzeichen in einer Reihe, die bedeuten: » Schlafe mit mir.«
Der Urheber dieser Zeichen in Thomas Manns Roman ist der Ãgyptologe Alexander Scharff, den er immer wieder zu Rate zog. Scharff leitete das Ãgyptologische Seminar der Münchner Universität, das in der Residenz
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