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Wo geht's hier nach Arabien

Titel: Wo geht's hier nach Arabien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Springer
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der Coolen: Schiffskapitäne.
    Am Montag, den 5. Juni 1967, biegt ein Konvoi aus 14 Frachtschiffen aus verschiedenen Ländern von Süden in den Suezkanal ein. Die deutschen Schiffe » MS Münsterland« und die » MS Nordwind« wollen nach Hamburg. Kapitän Karl Hoffmann fährt mit seiner » MS Münsterland« an der Spitze der Frachtschiffe, als er von ägyptischen Lotsen angewiesen wird anzuhalten. Die Schiffe befinden sich an der breitesten Stelle des Suezkanals. Die 30 Kilometer lange Ausbuchtung heißt » Bittersee« und dient als Ausweichstelle, an der entgegenkommende Schiffe vorbeigelassen werden können.
    Dann sieht Kapitän Hoffmann von seiner Brücke aus die israelischen Kampfjets im Tiefflug über den Kanal donnern. Der Sechstagekrieg ist ausgebrochen. » Dieser Konvoi kommt noch durch«, hatten ihm die Lotsen versprochen. Aber wen kümmert das Geschwätz von gestern, die Weiterfahrt wird verboten. Die Ägypter sperren den Kanal, indem sie Schiffe in der Fahrrinne versenken, die Frachter liegen fest.
    Die anderen 12 Schiffe heißen so, wie Schiffe eben heißen: » Lednice«, » Vassil Levsky«, » Agapenor«, » Melampus«, » Scottish Star«, » Port Invercargill«, » African Glen«, » Boleslaw Bierut«, » Djakarta«, » Sindh«, » Killara« und » Nippon«.
    Seit der Mensch auf dem Wasser herumrudert, gibt er seinem Boot einen Namen. Das hängt sicher mit den Feierlichkeiten zusammen, die es bei der Schiffstaufe gibt. Um die Götter friedlich zu stimmen, wird eine Flasche Schampus am Rumpf des Schiffes zertrümmert, der Rest wird ausgeschenkt. In Schottland ersetzt natürlich eine Flasche Whisky den französischen Champagner. Inder verzichten auf Alkohol und zerschmettern eine Kokosnuss am Schiff. So erklärt sich auch, warum die Inder nicht als große Seefahrernation gelten. Wahrscheinlich gehen zu viele Schiffe schon bei der Taufe in die Brüche, wenn sich nämlich die stahlharten Kokoskugeln in den Rumpf bohren. Auch wenn jemand nur ein Schlauchboot besitzt, sollte er es unbedingt taufen, denn aus dem Aberglauben der Seefahrer wurde oft schon schreckliche Realität. Das berühmteste Schiff der Welt sank, nachdem es ohne Taufe vom Stapel gelaufen war: die » Titanic«.
    Kapitän Hoffmann sitzt mit seiner Mannschaft im Bittersee gefangen und wartet. Es ist Sommer, 50 Grad Außentemperatur, das Schiff glüht. Regelmäßig werden die 14 Frachter vom Sandsturm eingehüllt und mit einem hellen Sandfilm überzogen, so entsteht der legendäre Name für den festsitzenden Konvoi: die » gelbe Flotte«. Viel gibt es nicht zu tun auf den Schiffen. Ab und zu fahren alle gemeinsam mit Volldampf im Kreis herum, damit die Motoren nicht einrosten. Nach einiger Zeit werden die Kapitäne und Mannschaften ausgewechselt. Eine Krise schweißt die Menschen zusammen, also nimmt man freundschaftliche Kontakte zu den anderen Schiffen auf. Zum Arztbesuch rudert man auf das polnische Schiff hinüber. Der Andrang beim Doktor ist so groß, dass er Sprechstunden festlegt, täglich von acht bis elf. Auf einem deutschen Schiff findet regelmäßig ein Gottesdienst statt, woraus aber bald ein Frühschoppen wird.
    Kapitän Wolfgang Scharrnbeck, der im Oktober 1967 zur Wachablösung auf die » MS Münsterland« kommt, erzählt dem Spiegel: » Ich erinnere mich an köstliche Mahlzeiten unseres Kochs, Hummermajo oder Räucherlachs oder Steaks. Wir hatten australische Weintrauben in unseren Kühlräumen, mit denen wir regelmäßig die Kollegen des bulgarischen Frachters › Vassil Levsky‹ belieferten, die daraus einen vorzüglichen Schnaps brannten. Als unsere Äpfel begannen, gammelig zu werden, bot die Reederei Hapag diese der ägyptischen Regierung als Geschenk an. Präsident Nasser persönlich lehnte in einem Brief ab, ziemlich unfreundlich übrigens.« Am Beginn der Blockade gibt es häufig Eierspeisen, die » MS Münsterland« hat acht Millionen Eier als Fracht an Bord. Andere notwendige Lebensmittel kommen per Lastwagen durch die Wüste. Etliche davon werden von ägyptischen Soldaten geplündert und kommen leer an.
    Als 1968 in Mexiko die Olympischen Spiele ausgetragen werden, veranstalten die Männer auf ihren Schiffen eigene Spiele. Die Mannschaften messen sich in Rudern, Gewichtheben, Schwimmen,

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