Wo immer Du bist, Darling
seltsam an. »Ja, in Guantanamo. Aber das wissen Sie vermutlich schon, sonst wären Sie wohl kaum hier, nicht wahr?«
Jetzt hing alles davon ab, was sie gleich zu hören bekamen. »Ich möchte Sie auf einen Vorfall ansprechen, der sich dort vor vielen Jahren ereignet hat …«
Baker setzte sich ebenfalls gerader hin. »Sie meinen bestimmt den Tod von Maria Peréz.«
Seine Treffsicherheit verschlug Anja die Sprache. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, dass Carolin Baker genauso überrascht ansah. Langsam nickte sie. »Ja, genau darum geht es.«
»Sie können sich noch an den Vorfall erinnern?«, fragte Carolin überflüssigerweise.
Thaddeus Baker stieß ein zynisches Lachen aus. »Würden Sie einen kaltblütigen Mord vergessen?« Die Falten seines Gesichts schienen sich noch tiefer einzugraben. »Glauben Sie mir, so etwas kann man nicht hinter sich lassen. Niemals.«
Anja legte ihre zitternden Hände auf die Knie. »Ich kenne Ramon, den Sohn von Frau Peréz.«
Baker blickte auf. »Ramon … ja.« Er fuhr sich durch die grauen Haare. »Der Junge hat alles mit angesehen. Das wünsche ich keinem. Die Bilder sieht er bestimmt heute noch.«
Anja schluckte. Wie recht Mr. Baker damit hatte … Den Ausdruck in Ramons Gesicht, als er ihr die Geschichte erzählt hatte, wollte sie nie wieder sehen müssen.
Der ehemalige Soldat schwieg ebenfalls, offenbar nicht in der Lage, das Gesehene zu verarbeiten. Nach der Schilderung von Ramon konnte sich Anja gut vorstellen, warum. Es war unbegreiflich, zu welchen grausamen, hasserfüllten Taten manche Menschen fähig waren.
Schließlich begann Baker wieder zu reden. »Ramon hatte sich mit Warren angelegt und ist damals auf ihn losgegangen. Ich kann’s ihm nicht verdenken. Lacey war der letzte Abschaum, hat ständig Frauen belästigt und noch vieles mehr. Einer wie er hatte bei der Armee eigentlich nichts zu suchen, aber keiner hat sich getraut, das auszusprechen.« Er holte tief Luft und suchte Anjas Blick. »Bevor Sie das jetzt fragen … Mir ist bewusst, wie falsch ich damals gehandelt habe. Ich war feige und hatte Angst, bin den leichtesten Weg gegangen.«
»Das ist durchaus verständlich. Warren Lacey hat Sie bedroht, nicht wahr?«, fragte Anja einfühlsam.
»Ja, das hat er. Ich kenne niemanden, der eine brutalere Ader hatte als Lacey damals. Ramon kann wirklich von Glück reden, dass Lacey ihn später nicht doch noch umgebracht hat. Versucht hat er es ja, weiß Gott. Was ist aus dem Jungen geworden?«
»Er ist in Kalifornien.« Anja zögerte, dann blickte sie dem ehemaligen Lagerverwalter in die trüben Augen. »Mr. Baker, wir brauchen dringend Ihre Hilfe.«
Pennsylvania, Mansfield, 14.10.2007, 15:30 Uhr
Als sich Anja und Carolin Stunden später verabschiedeten, konnten sie einen kleinen Erfolg verbuchen. Baker hatte sich einverstanden erklärt, gegen Warren Lacey auszusagen, der, wie sie zwischenzeitlich wussten, mittlerweile eine militärische Einrichtung in Nevada leitete.
Im Verlauf des Gesprächs war immer deutlicher geworden, wie wenig Baker die Sache von damals verwunden hatte und wie sehr er sich Absolution wünschte. Ganz ähnlich wie Ramon schien er nicht darüber hinweggekommen zu sein, dass Lacey mit seinem kaltblütigen Mord davongekommen war. Vielleicht sah er auch nach dem Tod seiner Frau keinen Sinn mehr darin, sich weiter hinter einer Lüge zu verstecken. Welche Gründe auch immer letztlich den Ausschlag gegeben hatten, Baker würde in der Verhandlung als Zeuge auftreten.
Anja betrat müde, aber mit neuer Hoffnung das Motelzimmer. Carolin folgte ihr auf dem Fuß, schnappte sich ihr Handy und rief Oliver an. »Du glaubst nicht, was wir heute erreicht haben«, stieß sie atemlos hervor, als er sich meldete. »Mr. Baker wird uns helfen und für Ramon aussagen. Er ist Witwer, hat seine Frau verloren. Ich glaube, er möchte auch, dass die Sache endlich ein gerechtes Ende findet.«
Anja hörte über Lautsprecher mit, was Oliver zu sagen hatte. »Um den Fall wieder aufrollen zu können, bedarf es einer Anzeige gegen Lacey. Die muss über den Bezirksstaatsanwalt kommen. Ich werde mich umgehend mit Sheriff Shepard in Verbindung setzen. Ich bin gespannt, was er dazu sagen wird. Ich melde mich dann wieder bei euch. Bleibt noch so lange vor Ort.«
»Ist gut, bis dann.« Carolin legte auf. »Na also, wer sagt’s denn. Die Geschichte rollt an.« Sie ließ sich neben Anja aufs Bett fallen.
»Du kannst dir nicht vorstellen, was ich dafür geben
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