Wo immer Du bist, Darling
tun.
Weinend warf sich Anja an seine Brust und schlang beide Arme um seinen Hals. Ramon presste die Lippen auf ihre Haare und wünschte, er hätte wenigstens kurz seine Hände frei. Wie gern er sie ein letztes Mal berührt hätte. Er schluckte. »Ich liebe dich, mi alma .«
»Ich liebe dich auch.« Ihre Antwort war nur ein tonloses Schluchzen an seinem Hals, aber Ramon verstand sie trotzdem.
Er küsste ihre Schläfe, ihre Wange, alles, was er auf die Schnelle erreichen konnte, und wiederholte die Worte noch einmal, dann wurde er rückwärts von ihr weggerissen.
*
Anja wehrte sich erfolglos gegen Shepards Griff, als er sie mit der Unnachgiebigkeit eines Elefanten auf den Stuhl zurückdirigierte. Über die Schulter erhaschte sie noch einen letzten Blick auf Ramon, dann war es vorbei. Die Milchglastür schloss sich hinter ihm.
»Was wird jetzt mit ihm passieren?« Sie erkannte ihre Stimme kaum wieder, so fremd und hohl klang sie.
»Er bleibt unter Verwahrung, bis er dem Richter vorgeführt wird.« Der Sheriff lehnte seine massigen Hüften gegen den Schreibtisch und blickte sie an. »Geht es Ihnen gut, brauchen Sie einen Arzt?
Sie schüttelte den Kopf, obwohl sie sich fühlte, als wären in den letzten Minuten all ihre Organe abgestorben. Sie brauchte keinen Arzt – sie brauchte Ramon.
*
Edward dachte kurz nach. »Möchten Sie etwas trinken? Einen Kaffee vielleicht?«
Erneutes Kopfschütteln.
Er setzte sich langsam in seinen Bürostuhl und betrachtete Anja Zimmermann. Sie wirkte unverletzt und schien bei bester Gesundheit zu sein – soweit er das in ihrem derzeitigen Zustand beurteilen konnte. Trotzdem sah sie erschreckend blass und verloren aus, seit der Kubaner aus dem Raum geführt worden war. Betroffen registrierte er, dass ihre Hände völlig verkrampft in ihrem Schoß lagen. Sie wirkte keineswegs erleichtert, eher so, als müsste sie sich von etwas abhalten. Offenbar hatte sich während ihrer Gefangenschaft etwas zwischen ihr und ihrem Geiselnehmer entwickelt. Vielleicht litt sie unter dem Stockholm-Syndrom …
Er nahm seine Brille ab und rieb sich den Nasenrücken. Irgendwie glaubte er das nicht. Sie und dieser Peréz waren eben kaum zu trennen gewesen … Die junge Deutsche hatte sich in den schwarzhaarigen Outlaw verliebt. Um das zu erkennen, brauchte man wahrlich keine dreißig Jahre Berufserfahrung zu haben. Und umgekehrt war es vermutlich genauso. Warum sonst war der Kubaner einfach mit ihr hier hereinspaziert und hatte sich gestellt?
Sein Blick streifte die Bürotür, durch die Peréz gerade verschwunden war. Hätte ihm jemand noch vor einer Stunde gesagt, dass er heute einen der beiden berüchtigten Anführer von La Mano de Cuba verhaften würde, hätte er ihm einen Vogel gezeigt. Und doch saß der Mann nun in Untersuchungshaft – freiwillig. Was sagte man dazu? Liebe ging wahrlich seltsame Wege. In Peréz’ Fall würde dieser Weg allerdings direkt ins Gefängnis führen. Edwards Blick kehrte zu der jungen Frau zurück, die immer noch einer Statue gleich vor ihm saß.
»Miss Zimmermann. Möchten Sie, dass wir jemanden für Sie anrufen?«, startete er einen neuen Versuch, sie aus ihrer Lethargie zu reißen. Mit Erfolg. Endlich blickte sie auf.
»Ja.« Sie schluckte. »Bitte geben Sie meiner Freundin Carolin Schuster Bescheid. Sie macht sich sicher entsetzliche Sorgen.«
Edward nickte. Sie hatte so leise gesprochen, dass er kein Wort verstanden hätte, wäre ihm der Name »Carolin Schuster« nicht noch ein Begriff gewesen. Er hatte die temperamentvolle Rothaarige keineswegs vergessen, die bis vor zwei Wochen sein Police Departement auf Trab gehalten hatte. Er beugte sich über das Sprachgerät, drückte eine Taste und bat um die Akte. Gleichzeitig rief er nach seinem einzigen weiblichen Officer.
Anja hob mutlos den Kopf, als eine junge Mexikanerin Shepards Büro betrat. Nachdem sie sich ihr als Officer Rosalita Willow vorgestellt hatte, fasste die Frau behutsam nach ihrem Arm und geleitete sie aus dem Polizeigebäude.
Sie schwieg, während die Frau sie in das gleiche Motel fuhr, in dem sie bei ihrer Ankunft vor über einem Monat eingecheckt hatte. Die Mexikanerin schwatzte munter drauflos, als wollte sie damit versuchen, Anjas Teilnahmslosigkeit auszugleichen.
Mechanisch wie ein Roboter ließ sie sich von der Frau in ein Zimmer führen. Welche Nummer es hatte, interessierte sie nicht. Alles kam ihr so unwirklich vor, so entsetzlich kalt.
Erst, als
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