Wo ist Thursday Next?
in die RealWelt zurück?«
»Nein.«
»Es gibt da noch einiges, was ich gern erledigen würde«, bettelte ich. »Ich bin auf Ihren Wunsch hin zu einer ziemlich riskanten Mission aufgebrochen – ich hätte ausradiert werden oder tot sein können, je nachdem.«
»Jurisfiktion ist Ihnen sehr dankbar dafür«, sagte er. »Das muss Ihnen genügen. Er ist nicht Ihr Mann, Thursday. Er ist Thursdays Mann. Gehen Sie in Ihr Buch zurück und vergessen Sie, was passiertist. Sie sind nicht die echte Thursday und werden es niemals sein. Verstehen Sie?«
»Ja, Sir.«
»Ausgezeichnet. Ich schätze es, wenn ein Mädel weiß, wann es genug ist. Der Froschmann wird Sie hier rausführen. Schönen Tag noch.«
Damit drehte er sich auf dem Absatz um und verschwand im Ballsaal. Die Tür schloss sich hinter ihm, und ich blieb verwirrt und ausgebrannt zurück. Aber vor allem vermisste ich Landen. Einen Augenblick lang überlegte ich, ob ich Whitby suchen und mich an seiner Schulter ausweinen sollte, aber dann fielen mir wieder die Hundewelpen und Nonnen ein.
»Verdammt«, sagte ich, ganz allgemein.
Der Lakaien-Frosch führte mich zum Ausgang, dann gab er mir den Rubik-Würfel zurück, den ich ihm geliehen hatte.
»Hier«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Hat mich ganz schön kirre gemacht, das Ding.«
Obwohl er die ganze Zeit meiner Abwesenheit hindurch daran gearbeitet hatte, die Farben zu mischen, waren alle sechs Seiten nach wie vor vollkommen einfarbig.
28.
Wieder zu Hause
Es gibt zahllose BuchWelten, die alle parallel existieren und jede auf ihrer eigenen Sprache beruhen. Natürlich sorgen die verschiedenen Geschmäcker im AußenLand dafür, dass die Genres unterschiedlich beliebt sind, deshalb gleicht keine BuchWelt genau einer anderen. Meist leben sie getrennt voneinander, nur einmal im Jahr, auf der Großen BuchWelt-Konferenz, kommen sie alle zusammen, und die jeweiligen Figuren erörtern Fragen der Intertextualität, Übersetzung und LeseRaten. Natürlich gibt es am Ende immer Misshelligkeiten und Streit.
Bradshaws Führer zur BuchWelt,
2
.
Aufl.
Ich kletterte aus dem Porsche, schlug die Tür zu und lehnte mich an die Steinmauer. Wir hatten gerade die Zeitverzerrungs-Episode im
Fall Jane Eyre
abgeschlossen, die immer etwas schwierig und abgedreht war. Trotz all unserer Bemühungen hatte uns unser einziger Leser verlassen. Weniger als eine Seite vor dem Kapitelende! Das ist ungefähr genauso, als ob man jemanden einen Witz erzählen lässt und erst nach der Pointe sagt, dass man ihn schon kennt.
Bowden kletterte auf der anderen Seite aus dem Gefährt. Ich kam deutlich besser mit ihm aus als mit dem Kollegen, der meinen Vater spielte, aber das besagte nicht viel. Es war ungefähr so ähnlich, wie wenn man behauptet, Rotkehlchen kämen besser als Spatzen mit Katzen aus. Bowden hatte mit meiner Vorgängerin eine Affäre, und als er sich bei der Weihnachtsfeier an mich ranmachen wollte, hab ich ihm – ich weiß nicht recht, ob aus Versehen – eine ganze Quiche in den Schoß gekippt. Seither war unser dienstliches und außerdienstliches Verhältnis gespannt.
»Das war jetzt echt peinlich«, sagte Bowden. »Sie haben sich nicht die geringste Mühe gegeben.«
Ich hatte meine Rolle sofort nach meiner Rückkehr wieder selbst übernommen und konnte Carmine keine Schuld geben. Ich hätte sie einfach weitermachen lassen sollen – sie machte ja ihre Sache nicht schlecht, aber, nun ja, ich brauchte die Ablenkung.
»Na schön«, sagte ich. »Mit einem gewissen Schwund muss man rechnen.«
Leserschwund war etwas, woran man sich gewöhnen musste, aber es gelang einem nie. Meist versuchte man sich damit zu beruhigen, dass unser Buch gerade »nicht so das Ding der Leser« sei, was mit einem philosophischen Achselzucken zur Kenntnis genommen wurde. Einmal, als mein Bruder Joffy sich heimlich verdrückt und ein ganzes Kapitel geschmissen hatte, hatten wir sechs Leserinnen und Leser auf einmal verloren. Nie war ich in größerer Versuchung gewesen, auf den Snooze-Knopf zu drücken.
In den Annalen der Leserverluste waren diese sechs Leser allerdings wirklich nur Peanuts.
Stig of the Dump
hat mal siebenhundert Leser auf einen Schlag verloren, als Stig von
Homo erectus- Fundamentalisten
entführt wurde, die ihre Steinzeitkonzepte verwirklichen wollten. In diesem Fall gab es sogar Verhandlungen mit den Entführern und es wurden einige neue Steinzeitkapitel in das Buch aufgenommen. Sie passten zwar nicht so ganz
Weitere Kostenlose Bücher