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Wo ist Thursday Next?

Wo ist Thursday Next?

Titel: Wo ist Thursday Next? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Fforde
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Lichtblitz.

20.
Lebendig!
    Der
Alive-
Simulator auf der BuchWelt-Konferenz ist ein Gerät, das alle Romanfiguren einmal ausprobiert haben sollten. Das Erlebnis, real zu sein, hilft ihnen dabei, ihre Vorbilder besser zu verstehen, zugleich hält es sie aber auch davon ab, irgendwann in die RealWelt flüchten zu wollen. Die meisten Besucher halten es nur ungefähr zehn Minuten aus, ehe sie den Panikknopf drücken und zitternd aus dem Simulator geführt werden müssen.
     
    Bradshaws Führer zur BuchWelt,
8.   Aufl.
     
    Ich hörte ein Gurgeln, bemerkte ein heftiges Pochen unter den Rippen und spürte etwas Merkwürdiges in meiner Nase, das weit zurückliegende Erinnerungen an Parkspaziergänge in meiner Kindheit weckte. Außerdem war es dunkel und ich spürte einen Schmerz in der Brust. Ich wusste nicht, was das sein konnte, aber dann platzte plötzlich mit einem lauten Knall ein Schwall heißer Luft aus meinem Mund. Noch ehe ich mich von diesem Schreck erholen konnte, begann ich zu keuchen und saugte einen Schwall kalter Luft ein, der meine Zähne kühlte und nach Tannennadeln schmeckte.
    »Man nennt es atmen«, sagte eine Stimme neben mir. »Es ist sehr einfach, und alle Leute tun es. Entspannen Sie sich, und lassen Sie der Natur ihren Lauf.«
    »Ich habe zu Hause schon gelegentlich
nach Luft geschnappt
und
tief ausgeatmet
«, sagte ich mühsam, »aber das hier ist etwas völlig anderes.«
    »Das waren nur Stimmungsbeschreibungen«, sagte die Stimme.»Aber hier machen Sie es, um zu überleben. Hören Sie etwas pochen, rauschen, rumpeln, grunzen, quietschen und knurren?«
    »Ja?«
    »Das ist Ihr Körper. Das Pochen kommt von Ihrem Herzen. Das ist alles sehr neu für Sie, deshalb fühlt es sich komisch an, so wie ein neues Paar Schuhe, aber Sie werden sich rasch daran gewöhnen. Fassen Sie mal an Ihr Handgelenk.«
    Ich folgte der Anweisung und stellte zu meiner Überraschung fest, dass meine Haut warm, weich und ein klein bisschen klebrig war. Außerdem pulsierte sie. Das war mein Herzschlag, und es schien, dass ich schwitzte. Nicht, weil das zur Handlung gehörte, sondern weil ich
lebendig
war. Ich atmete ein, zwei Minuten lang und gewöhnte mich an diesen Zustand.
    »Was sind das für merkwürdige Gefühle und Erinnerungen in meinem Kopf?«, fragte ich schließlich.
    »Das sind wahrscheinlich die Gerüche. Sie rufen völlig unberechenbare Erinnerungen hervor. Niemand weiß genau, wie das funktioniert.«
    Ich wusste es auch nicht, hatte aber noch mehr Fragen.
    »Warum kann ich nichts sehen?«
    »Sie müssen die Augen aufmachen.«
    Das tat ich. Ich saß da und blinzelte ein paar Minuten. Die Aussicht war ganz erstaunlich, nicht nur wegen der Reichweite, sondern vor allem wegen der vielen
Details
. Ich war daran gewöhnt, nur das zu sehen, was wesentlich für eine Szene war. Bei mir zu Hause wäre alles andere überflüssig gewesen und hätte sich allenfalls ganz schwach im Hintergrund abgezeichnet wie eine pastellfarbene Magnolie oder ein Klumpen Teig. Hier hatte
alles
klare leuchtende Farben und war fein strukturiert. Direkt vor meiner Nase befanden sich zahllose Einzelheiten, mit denen man Dutzende Bücher hätte füllen können, und niemand außer mir schien sie zu genießen. Die Bäume wiegten sich leise im Wind, und die Wolken schoben sich langsam über den Himmel. Es war Sommer, und die Blumenbeete blühten in herrlichen Farben, während die Luft von zarten Essensdüften und dem Geruch von Müll, Regenund Erde erfüllt war. Ich konnte auch etwas hören, aber nicht eins nach dem anderen, sondern alles zugleich. Die Geräusche, die meine Ohren erreichten, wirkten wie eine Symphonie; sie waren so aufeinandergetürmt, dass ich nichts Einzelnes herauslösen konnte und ganz betäubt von der Fülle der Eindrücke war.
    »Wie bringen die Leute bloß Ordnung in dieses Durcheinander?«, fragte ich.
    »Oh, die Menschen sortieren und filtern diese Dinge sehr gut«, sagte die Stimme. »Sie können praktisch alles ausblenden. Töne, optische Wahrnehmungen, Gerüche, Liebe, Leidenschaft, Wut, Vernunft. Praktisch alles, außer Hunger, Durst, Hitze und Kälte. Lassen Sie sich Zeit, keine Eile.«
    Ich saß fast eine Stunde lang da und versuchte, die Welt zu verstehen. Wenn man die Umstände berücksichtigt, schnitt ich dabei gar nicht so schlecht ab. Ich kam zu der Erkenntnis, dass ich auf einer Bank in einem gut gepflegten kleinen Park saß, der auf allen Seiten von Häusern aus roten Ziegelsteinen umgeben war. Es gab einen

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