Wo mein Herz zu Hause ist
gelbe Regenjacke. „Hier. Und die hier ist meine, sie ist Ihnen vielleicht etwas zu klein, aber besser als gar nichts.“
Dankbar zog sich Addie die Jacke über. Die Ärmel waren etwas zu kurz, aber wenigstens würde sie nicht noch nasser werden. „Vielen Dank.“
Das Mädchen war wirklich umsichtig. Skips Regenjacke unter den Arm geklemmt, rannte Addie zum Prius zurück.
Skips Hände bluteten bereits, weil er so verzweifelt an den Zweigen zog, doch das kümmerte ihn nicht. Die Kratzer und Schnitte würden heilen. Aber Addies Haus, ihr Wagen …
Sie musste am Boden zerstört sein. Und Michaela erst … Die Kleine litt sowieso schon unter irgendeinem Trauma. Skip hatte im Internet recherchiert und herausgefunden, dass Stottern ein Symptom davon sein konnte. Und jetzt hatte sie zusehen müssen, wie ein Baum ihr Haus zerstörte …
Nicht jedes Kind ist so hart im Nehmen wie Becky, dachte er. Wie immer versuchte er den Gedanken daran zu verdrängen, was seine Tochter alles hatte durchmachen müssen. Jedes Mal, wenn er zu lange darüber nachdachte, wurde ihm ganz schlecht, und er hätte am liebsten auf etwas eingeschlagen. Vor allem auf sich selbst – weil er vor dreizehn Jahren seinem Vater nachgegeben hatte, statt zu der Frau zu stehen, die er liebte. Und ihrem gemeinsamen Kind.
Aber wenigstens konnte er jetzt etwas für sie tun. Er zog einen Ast zur Seite, der fast so dick war wie sein Bein, und hatte jetzt endlich freien Blick auf die zerstörte Hauswand. Ein weiterer dicker Ast hatte neben dem Fenster, das wie durch ein Wunder nicht zerbrochen war, ein Loch in die Wand geschlagen.
Er spähte durch das Fenster und sah erleichtert, dass der Ast auch den elektrischen Schaltkasten um eine Handbreit verfehlt hatte.
„Skip!“ Addies Stimme war über dem Sturm nur schwach zu hören.
„Hier bin ich!“
Als sie sich einen Weg durch das Astgewirr gebahnt hatte, sah er, dass sie Beckys Regenjacke trug. Besorgt sah sie ihn an.
Lass mich dich fest in den Armen halten , hätte er am liebsten gesagt. Lass mich dich beschützen. So, wie ich es damals ver säumt habe.
Sie strich sich eine nasse Strähne aus dem Gesicht. „Ich glaube das einfach nicht.“
Ohne den Blick vom Haus zu lösen, reichte sie ihm seine Regenjacke.
„Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht. Wenn der Sturm aufhört, kann ich das Loch in der Wand flicken. Das ist kein Problem.“ Er zerrte die Regenjacke über sein nasses Hemd.
„Du?“
„Klar. Ich habe handwerkliche Erfahrung.“
„Wie kommt das denn?“ Skeptisch musterte sie ihn.
„Als ich mit dem Football aufgehört habe, haben ein Freund und ich sein Haus in Bainbridge renoviert. Er hat mir einiges beigebracht.“
„Und deshalb kannst du jetzt Sturmschäden reparieren.“
Kein Wunder, dass sie an ihm zweifelte. Schließlich war er nicht da gewesen, als sie ihn wirklich brauchte.
„Wenn du lieber einen richtigen Handwerker dafür bezahlen willst, ist das auch okay. Ich wollte dir nur etwas Geld sparen helfen.“
Sie strich sich über die Stirn. „Darüber können wir auch später diskutieren. Jetzt muss ich das Loch erst mal abdecken, bevor der Regen noch mehr Schaden anrichtet.“
Mit großen Schritten ging sie zum Honigschuppen, und Skip folgte ihr. Durch die Feuchtigkeit und Kälte schmerzte seine Schulter. So schlimm war es schon lange nicht mehr gewesen. Er bewegte sie hin und her, um die Krämpfe zu lösen, und Addie sah es, als sie sich zu ihm umdrehte.
„Du solltest nach Hause gehen und dir ein Heizkissen drauflegen. Dieses Wetter ist wahrscheinlich Gift für dich.“
„Danke, aber ich werde es überleben.“ Wollte sie ihn loswerden? Da konnte sie lange warten. „Ist mit Michaela alles okay?“
„Sie wird drüber wegkommen, wenn wir erst bei ihrer Großmutter sind, die mit ihr Kekse backen wird. Mit warmen Schokoladenkeksen übersteht man auch den schlimmsten Tag.“
Aber dies hier war nicht nur ein schlimmer Tag, sondern eine Katastrophe.
„Ihr könnt heute Nacht bei uns schlafen.“ Er hatte das Angebot ausgesprochen, bevor er die Konsequenzen bedachte. Was würde passieren, wenn Addie unter seinem Dach schlief?
„Danke, aber das ist nicht nötig“, sagte sie, und ihre Stimme klang etwas weicher. „Du und Becky habt schon genug für uns getan.“
Skip ließ das Thema erst mal fallen – im Moment mussten sie sich um das Haus kümmern. Hinter dem Schuppen fanden sie ein paar alte Sperrholzbretter, mit denen sie das Loch notdürftig abdecken
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