Wo mein Herz zu Hause ist
mal einen Tee.“
Heftig schüttelte sie den Kopf, drehte sich auf die Seite – weg von ihm – und rollte sich zusammen. „Lass mich allein.“
„Liebes …“
Sie zog sich das Kissen über den Kopf. „Geh weg. Ich will jetzt allein sein.“
Doch so schnell konnte Skip sich nicht dazu durchringen. Der Gedanke, sie mit ihrem Kummer, ihren Schuldgefühlen den Rest der Nacht allein zu lassen, brach ihm fast das Herz. Natürlich würde sie sich Vorwürfe machen, denn so war sie nun mal. Sie hatte sich dreizehn Jahre lang Vorwürfe gemacht – genau wie er. Auch er hatte immer noch Albträume darüber, was sein kleines Mädchen alles hatte erdulden müssen.
Doch er hatte inzwischen auch zehn Monate mit seiner Tochter verbracht, hatte miterlebt, wie sich ihre Persönlichkeit entfaltete. Sicher, sie ging noch zur Therapie, aber er spürte auch, dass sie sich immer wohler und sicherer fühlte. Er erkannte ihre innere Stärke, und das tröstete ihn.
Addie dagegen war jetzt an dem Punkt, an dem er vor einem Jahr gewesen war – er hatte solche Schuldgefühle gehabt, dass er sich am liebsten vor der Welt und sich selbst verkrochen hätte.
„Also gut“, sagte er und stand auf. „Wenn du mich brauchst, ich bin in meinem Büro am Ende des Flurs.“
Bis jetzt hatte er das Zimmer kaum benutzt, doch jetzt musste er in Addies Nähe bleiben.
„Ich dachte, du schläfst auf der Couch“, murmelte sie. Es klang ärgerlich. Sie wünschte ihn sich offenbar weit fort.
„Ich habe einen Schlafsack.“ Auf keinen Fall würde er unten schlafen. „Bis morgen.“
Damit ging er hinaus. Außerdem würde er heute Nacht sowieso kein Auge zutun. Was würde der Morgen bringen? Wie würde Addie auf Becky reagieren, jetzt, wo sie die Wahrheit kannte?
Anders , sagte seine innere Stimme.
Und das machte ihm unglaubliche Sorgen.
Addie wollte sterben. Und gleichzeitig vor Freude jubeln. Ihre Tränen galten beiden Gefühlen. Becky , dachte sie, als ihr Körper von Weinkrämpfen geschüttelt wurde.
Der Schmerz war unglaublich und körperlich spürbar. Sie presste das Gesicht ins Kissen und zog die Knie bis zur Brust hoch.
Wieso hatte sie es nicht vom ersten Augenblick an gewusst? Wie hatte es ihr entgehen können, dass Becky ihr eigenes Kind war?
Was ihre Tochter alles hatte durchmachen müssen! Mit Eltern, die ihr nicht das liebevolle Zuhause gegeben hatten, das Addies Vater ihr vor dreizehn Jahren versprochen hatte.
Addie weinte um die verlorene Zeit, um all die Momente, die sie mit ihrem Kind hätte teilen sollen. Ihr erstes Lächeln, der erste Zahn, das erste Wort.
Ich hätte ihr am ersten Schultag die Hand halten müssen, sie bei Sportwettkämpfen anfeuern, ihr bei den Hausaufgaben helfen sollen.
Und, viel schlimmer noch, ihre Adoptiveltern hatten vielleicht nichts von alledem getan. Nach Skips Beschreibung waren sie mit sich selbst beschäftigt gewesen, und Becky war in einer Umgebung voller Streit und Gewalt aufgewachsen.
Es tut mir so leid, so leid, so leid …
Die Schuldgefühle überwältigten sie. Sie hätte sich niemals ihrem Vater unterordnen dürfen. Warum hatte sie nachgegeben? Warum nicht ihrem Gefühl vertraut, mehr um ihr Baby gekämpft?
Warum, warum, warum? Hin- und hergeworfen zwischen „hätte ich doch“ und „was wäre, wenn“ weinte Addie, bis sie keine Tränen mehr hatte. Dann lag sie erschöpft und wie zerschlagen in Skips breitem Bett, hörte dem Sturm zu und wartete darauf, dass es endlich wieder hell wurde und ihr gequältes Herz vielleicht etwas Ruhe fand.
Skip stand schon vor dem Morgengrauen unter der Dusche. Er hatte kein Auge zugetan und die ganze Nacht nur an Addie gedacht. Bei jedem Geräusch horchte er, ob es aus Richtung seines Schlafzimmers kam. Zweimal glaubte er, Addie weinen zu hören, doch es war nur der Wind in den Bäumen.
Er trocknete sich ab und zog Jeans und ein frisches T-Shirt an, dann schlich er auf Zehenspitzen in die Küche und setzte Kaffee auf. Als er den ersten Schluck trank, dämmerte es draußen gerade. Der Sturm hatte nachgelassen, doch es regnete immer noch.
Als er hinter sich leise Schritte hörte, drehte er sich um und sah Addie in der Tür stehen. Sie trug noch Beckys Flanellschlafanzug mit den Teddybären drauf und sah darin so süß aus, dass er sie am liebsten in die Arme geschlossen und geküsst hätte.
Doch in der vergangenen Nacht hatte sich ihr Leben für immer verändert, und noch wusste er nicht, wie sich das auswirken würde. „Hey“, sagte er
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