Wo niemand dich sieht
meine Hand. Sie schaute mich an und sah, dass ich wieder hart war. Das war mir schrecklich peinlich, außerdem hatte ich Angst. Schmerzen waren eine Sache, aber nicht zu wissen, was real war und was nicht, war etwas ganz anderes. Gott, wie ich das hasste.
Ich wandte mich von ihr ab, schnappte mir eine Decke vom Bett und schlang sie mir um die Hüften. Für Laura blieb nur ein dünnes Laken übrig. Ich zog es von der Pritsche ab und reichte es ihr. Sie wickelte sich darin ein und knotete es über ihren Brüsten fest.
Dann setzte sie sich zu mir auf die Pritsche. »Ich sterbe vor Durst«, sagte sie, ohne mich dabei anzusehen. Stattdessen starrte sie auf ihre Füße hinunter.
Ohne zu überlegen sagte ich: »Wir werden nichts anrühren. Auch kein Leitungswasser.«
»Warum nicht?«
Ich wandte ihr mein Gesicht zu. Dann ergriff ich ihre Hand und nahm sie in beide Hände. Sie lehnte sich an mich, ihre Wange lag an meiner Schulter.
»Hör zu, Laura. Jilly war da und hat mich besucht. Sie ist hier. Sie schien irgendwie erregt zu sein. Sie hat mir gesagt, ich darf weder Essen noch Trinken anrühren.«
»Jilly hier? Aber wann hätte sie hier sein können, Mac?«
»Ich weiß es nicht, aber es macht ebenso viel Sinn wie die Tatsache, dass wir beide hier sind, wo immer das auch ist.«
»Das bedeutet, dass sie in der Sache mit drinsteckt«, sagte Laura schließlich. »Das begreifst du doch jetzt, nicht, Mac? Wenn sie tatsächlich bei dir war, dann steckt sie irgendwie in dieser Sache drin.«
»Ja, ich weiß«, erwiderte ich müde.
»Man hat uns wieder erwischt, stimmt’s? Was sollen wir jetzt tun?«
Aber wie hatte man uns wieder erwischt? Waren sie einfach gekommen und hatten das Licht ausgeknipst? Was ging hier vor? War das alles irgendwie geplant, mit einer Droge, deren Wirkung nachließ, nur um dann wie ein wildes Tier mit neuerlicher Kraft über einen herzufallen?
Ich erhob mich und begann in dem zehn Quadratmeter kleinen Raum auf und ab zu gehen. »Wir müssen Sherlock und Savich finden«, sagte ich über die Schulter gewandt. »Die sind wenigstens real.«
Es war komisch, aber obwohl ich im Raum herumging und mich mit Laura unterhielt, wusste ich gleichzeitig, dass etwas in meinem Hirn noch immer nicht stimmte. Ich erinnerte mich daran, wie ich diese schrecklichen Momente vor der Katastrophe in Tunesien noch einmal durchlebt hatte, wie es mir diesmal noch schlimmer erschienen war.
Ich blickte zu dem kleinen Waschbecken in der Ecke.
Nein, wir würden keinen Tropfen Wasser mehr anrühren, zumindest nicht hier an diesem Ort.
24
Und Essen? Was war mit dem Essen? Jilly hatte nichts vom Essen gesagt, oder? Doch, hatte sie. Jetzt fiel es mir wieder ein. Ich betrachtete die Teller voll dampfendem Reis, mit heißer Butter übergossene Tortillas und eine kleine Schüssel Rindfleisch in einer roten Soße. Ich streckte den Arm aus und hielt Laura zurück, die bereits die Gabel zückte.
»Es ist zu riskant. Im Essen könnten ebenso gut Drogen sein wie im Wasser.« Herrgott, wie das duftete! Ich hätte fluchen können und tat es auch. Und zwar herzhaft.
Zwei Männer hatten im Türrahmen gestanden, die Waffen auf uns gerichtet, während ein junges Mädchen, nicht älter als zwölf, uns das Essen servierte und dabei so ängstlich dreinsah, als würde es jeden Moment in Ohnmacht fallen.
»Und noch was«, sagte ich und erhob mich. Ich stellte die zwei Tabletts vorsichtig auf den Boden. »Wir müssen den Raum nach Kameras oder Wanzen absuchen. Letztes Mal waren keine da, aber jetzt? Wer weiß.«
Wir fanden nicht das Geringste. Trotzdem achtete ich darauf, leise zu reden. »Wir müssen uns bereit machen, bei der nächsten Gelegenheit auszubrechen, so wie letztes Mal.«
»Kaum vorstellbar, dass wir noch mal so ein Glück haben. Letztes Mal waren es zwei Burschen mit AK-47ern.« Sie warf einen Blick auf die Toilette. »Der Porzellandeckel ist weg.«
»Hab nie behauptet, dass sie dumm wären. Wir müssen uns was anderes suchen. Immerhin haben wir einen Vorteil. Ich verwette mein Hemd, dass im Essen und im Wasser was drin ist. Früher oder später wird jemand kommen und nachsehen, wie’s wirkt. Es wird ihnen überhaupt nicht in den Sinn kommen, dass wir weder Essen noch Trinken anrühren. Man wird erwarten, dass wir bewusstlos sind oder es auf dem Fußboden treiben oder was immer dieses Zeugs auch mit einem anstellt.«
Laura ließ die Schultern hängen. Ich hatte sie noch nie so mutlos gesehen. »Laura, hör zu. Es ist
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