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Wo niemand dich sieht

Titel: Wo niemand dich sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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Gürtel trägt? Einfach lächerlich. Edgerton ist ein kleines, friedliches Städtchen. Niemand - weder Mann noch Frau
    -    sollte hier eine Knarre tragen, aber sie tut’s trotzdem. Natürlich hab ich schon mit ihr gesprochen, im Krankenhaus, gleich nachdem Jilly eingeliefert worden war.«
    »Ist doch nicht ungewöhnlich für einen Gesetzeshüter
    -    ob weiblich oder männlich -, mehr als einmal mit jemandem sprechen zu wollen«, sagte ich, milde überrascht darüber, dass Paul einen derart sexistischen Scheiß von sich gab. Ich hatte überhaupt nicht die Meinung, dass sie eine Männerhasserin war. »Die Leute vergessen schon mal was in der Aufregung. Ich wette, dass sogar du ihr jetzt mehr erzählen kannst als beim ersten Mal.«
    »Aber worüber denn, um Gottes willen? Jilly ist durch diese verdammte Leitplanke gerast, und ich weiß nicht warum. Sie war ein bisschen deprimiert, aber das ist doch jeder gelegentlich. Und das wär’s, Mac. Mehr weiß ich nicht.«
    Ich nahm den letzten Bissen meines Steaks, lehnte mich zurück, rieb mir über den Bauch und nahm einen Schluck Pinot Noir. Paul sah blass aus. Seine Haut spannte sich geradezu über seine Wangenknochen. Er sah krank aus, krank und verängstigt. Oder vielleicht sah ich ja nur mich selbst in ihm. Der Himmel wusste, dass ich krank genug aussah. »Bist du sicher, dass das alles ist, Paul? Weshalb war Jilly deprimiert? Hat sie irgendwelche Medikamente dagegen genommen? War sie deswegen bei einem Arzt?«
    Paul lachte, ein künstliches, gezwungenes Lachen. »Hör sich das einer an. Superbulle mit einem ganzen beschissenen Haufen von Fragen. Nein, war sie nicht. Ich bin total erschöpft, Mac. Ich will jetzt nicht mehr reden. Es gibt nichts mehr zu sagen. Ich gehe jetzt ins Bett.« Er stieß seinen Stuhl zurück und erhob sich. »Gute Nacht. Ich hoffe, es macht dir nichts aus, dass das Gästebett ein bisschen schmal ist. Und für dich wahrscheinlich obendrein zu kurz.«
    »Mach dir keine Sorgen, Paul. Hab heute Nachmittag schon ein wenig auf einem von den Gartensesseln gepennt. Ich glaube, ich fahre noch mal ins Krankenhaus zu Jilly. Gute Nacht.«
    Ford ist wieder da und hält meine Hand, so wie vorher. Die Wärme seiner Hand ist einfach unbeschreiblich, ge-nan wie vorher. Gott sei Dank hatte ich mir das beim ersten Mal nicht nur eingebildet. Ich will nicht auch noch meinen Verstand verlieren, so wie ich meinen Körper verloren habe.
    Aber wann war vorher?
    Es hätte heute früh oder auch letztes Jahr sein können, ich weiß es nicht. Ist schon komisch, aber ich habe jeden Zeitbegriff verloren. Ich weiß, was Zeit ist, aber sie hat jede Bedeutung für mich verloren.
    Hinter Ford bewegen sich noch andere schemenhafte Gestalten, dann gehen sie, und wir sind endlich allein.
    »Jilly«, sagt er, und ich hätte weinen können, so erleichtert bin ich, seine Stimme zu hören. Aber ich weiß nicht, ob dieser Körper, den ich nicht mehr fühle, überhaupt noch zu Tränen fähig ist.
    Ich würde ihn gerne fragen, ob sie meinen Porsche schon aus dem Wasser gezogen haben.
    Ford sagt: »Schätzchen, ich weiß nicht, ob du mich hören kannst oder nicht. Ich hoffe, du kannst es. Ich hab mit Kevin und Gwen gesprochen und ihnen erzählt, wie’s dir geht. Sie schicken dir ihre Grüße und lassen dir ausrichten, dass sie für dich beten.
    Und jetzt erzähl mir, warum du deprimiert warst, Jilly.«
    Deprimiert? Was soll das ? Ich war in meinem Leben noch nie deprimiert. Wer behauptet, dass ich deprimiert bin? Das brülle ich Ford ins Gesicht, aber natürlich kann er es nicht hören, weil die Worte nur in meinem eigenen Schädel hallen.
    »Ich muss rauskriegen, warum du mit dem Porsche über die Klippen gerast bist, Jilly. Es fällt mir schwer zu glauben, dass du deprimiert gewesen sein sollst. Kann mich nicht erinnern, wann du je deprimiert gewesen wärst, nicht mal als Teenager, als Lester Harvey dich wegen Susan sitzen gelassen hat, deiner Freundin mit den dicken Titten, du weißt schon. Du hast damals einfach nur den Kopf geschüttelt und gesagt, dass er ein wertloses Stück Scheiße sei und dich nicht weiter drum gekümmert.
    Aber die Dinge ändern sich. Wir haben uns in den letzten fünf Jahren oder so nicht mehr allzu oft gesehen. Du warst mit Paul zusammen. Verdammt, Jilly, was ist bloß mit dir passiert?«
    Ford lehnt seine Stirn auf meine Hand. Ich fühle seinen sanften Atem auf meiner Haut. Ich bin nicht deprimiert, will ich ihm sagen. Er will wissen, was mit mir

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