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Wo niemand dich sieht

Titel: Wo niemand dich sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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wie wichtig ich es dennoch nahm. Jilly wusste, dass Laura sie betrogen hatte. Laura war für Jilly so präsent, dass ich es irgendwie aufgefangen hatte, als ich im Krankenhaus an ihrem Bett saß. War Laura der Grund für Jillys Selbstmordversuch? Wenn es einer war?
    Eine Stunde später war ich unterwegs nach Salem.
    Salem, die Hauptstadt von Oregon, liegt im Herzen des Willamette Valley, an den Ufern des Willamette River.
    Portland, die größte Stadt Oregons, befindet sich nur dreiundvierzig Meilen nordöstlich davon, nur ein Katzensprung, wie die Einheimischen es ausdrücken. Mir fiel ein, dass Jilly mir einmal gesagt hatte, dass der indianische Name von Salem Chemeketa, »Ort des Friedens« bedeutet, was in den biblischen Namen Salem übersetzt worden war, der vom hebräischen Wort Shalom, also »Frieden«, abstammt.
    Am Ortsrand von Salem hielt ich zuerst einmal in einem kleinen Park an und wählte die Nummer der Auskunft. Es gab keine Laura Scott im Telefonverzeichnis von Salem. Nur eine nicht eingetragene Nummer für eine oder einen L.P. Scott. Da ließ ich mir die Nummer der Stadtbibliothek von Salem geben. Zehn Minuten später hatte ich den großen Betonklotz zwischen Liberty und Commercial Street auch schon gefunden. Er lag nicht weit von der Willamette University entfernt, am Südrand des Stadtzentrums. Am Nordrand lag ein großer, offener Platz, der die Bibliothek mit dem Rathaus verband. Für meinen Geschmack viel zu dicht bei den Aktenschiebern. Aber wenn man einmal drinnen war, vergaß man rasch das hässliche Äußere der Bibliothek. Sie war groß, hell und luftig, am Boden türkisgrüner Teppich. Die Regale waren orange. Nicht unbedingt mein Geschmack, aber es hielt die Studenten wenigstens wach. Ich ging zur Information und erkundigte mich nach einer Miss Scott.
    »Ja, Miss Scott ist Bibliothekarin hier. Sie ist für die Enzyklopädieabteilung zuständig«, erklärte mir ein junger Mann arabischer Abstammung mit einem starken Akzent und wies in die rechte hintere Ecke. Ich bedankte mich und wandte mich in die Richtung seines Zeigefingers.
    Ich blieb kurz neben der Renaissance-Abteilung stehen und musterte die Frau, die ruhig mit einem pickeligen Highschool-Schüler sprach. Für einen Mann in meinem fortgeschrittenen Alter sah er einfach lächerlich aus in seinen weiten, schlabbrigen Jeans, bei denen fast der ganze Hintern rausschaute und deren Schritt ihm ziehharmonikaartig die halben Beine hinunterhing.
    Der Schüler schlurfte in Richtung Zeitschriftenabteilung davon. Jetzt konnte ich einen ersten ungehinderten Blick auf Laura Scott werfen. Paul hatte sie als scheu und schrecklich schüchtern beschrieben, fast schattenhaft. Mein erster Gedanke war: Ist der Idiot denn blind? Um die Wahrheit zu sagen, ich warf nur einen Blick auf sie und wurde von einer solchen Lustwelle überrollt, dass ich mich gegen das Regal mit der englischen Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts lehnen musste. Wie konnte er sie nur als unscheinbar bezeichnen? Sie war schlank und groß und sah trotz ihres ein wenig zu langen und obendrein olivgrünen Kostüms einfach umwerfend aus. Sie hätte selbst in einem Kartoffelsack noch umwerfend ausgesehen. Ihr Haar leuchtete in den unterschiedlichsten Brauntönen, von Dunkelbraun über ein helleres Braun bis zu Aschblond. Sie trug es zu einem festen Nackenknoten geschlungen. Dennoch konnte ich sehen, dass sie langes, dickes Haar hatte. Wunderhübsches Haar. Ich hätte ihr am liebsten sofort die ganzen Haarnadeln rausgezogen und in den Papierkorb unter ihrem Schreibtisch geworfen. Jetzt verstand ich, dass Paul gleich den Verstand verloren hatte. Aber warum hatte er gesagt, dass sie unscheinbar war? Vielleicht, um sie in meinen Augen uninteressant erscheinen zu lassen? Damit ich die Sache nicht weiterverfolgte?
    Tatsächlich sah Laura Scott sehr selbstbewusst und kompetent aus, ganz besonders mit diesem sexy Dutt. Und sie schien irgendwie zu leuchten. Erneut lehnte ich mich gegen das glücklicherweise recht stabile Regal mit den alten Wälzern über das England des neunzehnten
    Jahrhunderts. Sie leuchtete? Reiß dich zusammen, Mac, und hol deinen Verstand aus der Hose. Du brauchst ihn. Ob ihr unscheinbares Äußeres kalkuliert war? Um sich die Männer vom Leib zu halten? Tja, bei Paul hatte es offenbar nicht funktioniert.
    Bei mir auch nicht. Ich sagte mir dreimal: Sie und Paul haben Jilly betrogen. Ich sagte es mir sogar ein viertes Mal, damit es auch ja saß.
    Ich wartete, bis der

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