Wo niemand dich sieht
reden. Ehrlich nicht.« Sie war auf einmal ganz still, starrte regungslos auf ihren Teller. »Das ist alles so unsinnig. Sie war eine ausgezeichnete Autofahrerin. Ich kann’s einfach nicht fassen. Sie hat gelacht, als ich sie das letzte Mal sah. Hat sie jemand gezwungen, über diese Klippe zu fahren? War es ein Unfall? Oder hat sie jemand geschubst?«
Selbst ich, der Bulle, war nicht auf den Gedanken gekommen, dass jemand sie über die Klippe geschubst haben könnte. Wieso dann Laura? »Nein, sie ist einfach über die Klippe gerast, etwa zehn Meilen nördlich von Edgerton, kurz vor der Abzweigung zur 101. Es sieht so aus, als hätte sie sich umbringen wollen.«
»Wie konnte sie das überleben?«
»Wie gesagt, ein Polizist hat das Ganze beobachtet und sie sofort rausgeholt, bevor sie ertrinken konnte. Alle sind sich darin einig, dass es ein reines Wunder war.«
Laura Scott erhob sich langsam und starrte auf die noch reichlich mit thailändischen Speisen beladenen Platten hinunter. Sie schüttelte den Kopf und schob ihre Hand in ihre Handtasche. Aus einer ziemlich dicken Geldbörse zog sie einen Fünfzigdollarschein hervor und legte ihn neben ihre Suppenschüssel. Ohne mich anzusehen, sagte sie: »Sie ist immer viel zu schnell gefahren, hat gejauchzt und gebrüllt, hat lauthals gesungen. Sie hat gesagt, sie liebt die Gefahr. Meinte, den Porsche zu fahren wäre wie fliegen, bloß ohne Fallschirm. Jilly hätte nicht versucht, sich umzubringen. Sie hat die Kontrolle über diesen verdammten Porsche verloren. Ich will zu ihr. Sie sagen, sie liegt im Tallshon?«
»Ja, genau.« Ich erhob mich und trat zu ihr. Mit den Fingern auf ihrem Unterarm hielt ich sie kurz auf. »Bevor wir gehen, muss ich noch etwas wissen. Sagen“ Sie mir die Wahrheit, Laura. Haben Sie oder hatten Sie ein Verhältnis mit Paul?«
Sie blickte mich an, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank. »Bestimmt nicht«, beharrte sie, »selbstverständlich hatte ich kein Verhältnis mit Paul. Einfach lächerlich.«
Ich merkte, dass ich sie noch immer berührte, doch ich zog meine Finger nicht zurück. Ich wollte diese Verbindung mit ihr nicht verlieren. »Paul behauptet, Sie wären bis vor einem Monat seine Geliebte gewesen. Dann hätte er Schluss gemacht. Und Jilly sagte mir, Sie hätten sie betrogen.«
Sie schüttelte meine Hand ab. Eine Sekunde glaubte ich, sie würde mir eine schallern, aber sie beherrschte sich im letzten Moment. »Nein, ich hab nicht mit Paul geschlafen. Er lügt. Warum? Keine Ahnung. Und was Jilly betrifft, so weiß ich beim besten Willen nicht, was sie damit meint.«
»Wieso sollte Paul lügen?«
»Fragen Sie ihn doch selbst, verflucht noch mal. Ich fahre jetzt zu Jilly.«
»Ich bringe Sie hin.«
»Nein, danke«, erwiderte sie eisig. »Sie haben schon genug getan.«
Ich kann’s nicht fassen. Laura ist hier, neben Ford. Ich kann sie ebenso deutlich sehen wie ihn. Nicht zu fassen, Laura, dieses hinterhältige Miststück. Aber sie ist es. Sie ist hier, und ich kann sie sehen. Sie sagt etwas zu Ford. Was flüstert ihm dieses Weibsstück zu?
Ich kriege eine Gänsehaut, und mir wird speiübel, die Angst beschleicht mich wieder und doch fühle ich gar nichts. Ich bin sie jetzt los, sie kann mir nichts mehr tun. Sie kommt näher, sagt wieder und wieder meinen Namen. Warum habe ich immer noch solche Angst?
Ich könnte schreien, dass ich sie umbringen will, aber es geht nicht. Warum um Himmels willen ist sie hier, hier an meinem Bett? Wieso hat sie noch immer die Macht, mich in Panik zu versetzen? Das sollte nicht sein. Sie sollte längst verschwunden sein, nichts weiter als eine blöde Erinnerung. Sie streckt ihre Hand aus und berührt mich, während sie mit Ford spricht. Ich kann’s nicht ertragen.
»Ihre Augen sind offen. Schauen Sie, ihre Augen sind offen.«
»Das sind sie fast immer«, sagt Ford. »Es bedeutet nichts.«
Ich fühle ihre Finger an meiner Schulter. Sie sind eiskalt, kalt wie der Tod.
Ich fange an zu schreien.
Ich fuhr so schnell herum, dass ich beinahe auf die Schnauze fiel. Mein Herz hämmerte so wild, als wollte es mir aus der Brust hüpfen. Im nächsten Augenblick war ich an Jillys Seite und brüllte über meine Schulter: »Laura, holen Sie eine Schwester, rasch. Und den Arzt. Mein Gott, beeilen Sie sich! Los doch!«
Ich nahm Jilly in meine Arme und drückte sie fest an mich, versuchte sie still zu halten. Sie bäumte sich auf, warf den Kopf hin und her, und sie schrie - Schreie, die wie ein
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