Wo niemand dich sieht
Aufwachen. Du hast lange genug geschlafen. Na komm schon, komm, schau mich an.«
Ihre Lippen bewegten sich ein wenig, formten meinen Namen.
Ich beugte mich noch tiefer, und ohne es eigentlich zu wollen, gab ich ihr einen Kuss auf die bleichen Lippen. »Ja, genau, ich bin’s, Mac. Sag’s noch mal. Sag meinen Namen. Das gefällt mir. Komm schon, Laura. Mach die Augen auf und schau mich an.«
»Wir wollten sie eigentlich gerade noch mal aufwecken, aber wie’s scheint, machen Sie das schon ganz gut.« Ich wandte mich um und sah eine große Frau in einem weißen Arztkittel vor mir stehen. Sie lächelte. »Ja, ermuntern Sie sie ruhig weiter. Sind Sie ihr Mann?«
»Nein«, antwortete ich, und zum ersten Mal in meinem Leben erschien mir diese Vorstellung gar nicht so übel. Ich kannte Laura seit zwei Tagen. Komisch, dass das überhaupt keine Rolle zu spielen schien. »Sie ist eine Freundin«, erklärte ich lächelnd. »Ich bin ein Freund.«
»Ich bin ihre behandelnde Ärztin, Elsa Kiren. Möchten Sie von einer Schwester abgelöst werden?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, ich bleibe. Hab erst vor kurzem das Gleiche durchgemacht. Ich weiß, wie’s ihr im Moment geht.«
»Wenn Sie Hilfe brauchen, müssen Sie nur rufen«, sagte Dr. Kiren. »Ich bin nicht weit.«
Ich wandte mich wieder Laura zu und fragte mich, ob ich anfangs wohl ebenso bleich gewesen war wie sie jetzt. »Laura, pass auf. Ich hab mir das Ganze durch den Kopf gehen lassen und bin zu folgendem Schluss gekommen: Jemand hat versucht, dich mit einer Überdosis Schlaftabletten umzubringen. Dass ich auch was davon abgekriegt hab, war nur ein unglücklicher Zufall. Also, jetzt wach mal auf, damit wir uns dieses Schlamassel etwas genauer ansehen können. Na los, nun komm schon.« Ich schlug ihr leicht auf die Wange. »Wach auf, Laura, man hat versucht, dich umzubringen.«
»Noch so ein Schlag, und du wirst’s bereuen, du Mistkerl.«
Ich grinste von einem Ohr zum anderen. »Ja, genau, ich bin’s, der Mistkerl.« Wieder schlug ich ihr leicht auf die Wange.
Sie stieß ein tiefes Knurren aus. Recht viel anders hätte es bei ihrem fetten Kater wohl auch nicht geklungen. »Wenn wir hier fertig sind, werde ich zu deiner Wohnung fahren und mich um Nolan und Grubster kümmern. Du musst mir sagen, was ich tun soll. Aufwachen, Laura, denk an Kater Fettie und das niedliche Vögelchen.«
Sie schlug zögerlich die Augen auf, schaute mich zuerst verständnislos an, was sich jedoch allmählich änderte. Langsam kehrten ihre Erinnerungen zurück. Ich könnte schwören, dass ich genau sah, wann sie wieder alle auf der Reihe hatte.
»Hi«, flötete ich. »So ist’s gut, hol deine Erinnerungen nur rein, eine nach der anderen. Es dauert ein Weilchen, aber du schaffst das schon.«
»Ich kann nicht glauben, dass du mir eine Überdosis Schlafmittel geben würdest, Mac, aber falls doch, warum?«
»Freut mich, dass du mir das nicht zutraust. Du hast vollkommen Recht, Laura, so was würde ich dir nie antun. Bis vor ein paar Stunden lag ich selbst noch flach wie eine Flunder, genau wie du. Man hat uns beide erwischt.«
Da riss sie nun wirklich ihre schönen Augen auf. Sie war jetzt vollkommen klar. »Ich hab höllische Kopfschmerzen. «
»Ja, ich weiß. Das vergeht schon wieder, mach dir keine Sorgen. Meine Kopfschmerzen sind mittlerweile fast weg. Wer war das, Laura? Wer hat uns das angetan?«
»Ich weiß nicht. Es muss im Kaffee gewesen sein. Wir haben beide davon getrunken. Du mehr als ich, wenn ich mich recht erinnere.«
Ich sah eine Bewegung aus den Augenwinkeln und fuhr herum. Detective Minton Castanga stand im Türrahmen.
Da meine Hand noch auf Lauras Schulter lag, fühlte ich ihre plötzliche Anspannung, als mache sie sich auf einen Kampf bereit.
»Der war schon mal hier, aber da war ich noch nicht ganz da. Ich kann den Typ nicht ausstehen, Mac. Schick ihn wieder weg.«
»Kann ich leider nicht. Keine Sorge, Laura, der gehört nicht zu den Bösen. Das ist ein Bulle, Detective Castanga von der Salem PD. Er ist hier, um rauszufinden, wer uns dieses Bein gestellt hat. Detective, das ist Laura Scott.«
Ich richtete mich auf und drehte mich zu ihm herum. »Sie ist gerade erst aufgewacht«, erklärte ich. »Kommen Sie, stellen Sie sich hierher, dann kann sie mit uns beiden reden.«
Detective Castanga pflanzte sich auf der anderen Seite von Lauras Bett auf. Einen Moment lang musterte er sie schweigend, dann sagte er mit seiner trägen Molassestimme: »Es stimmt, ich
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