Wo niemand dich sieht
nicht. Wenn ich’s wüsste, wäre ich jetzt bei ihr und nicht hier.«
»Schau, Paul«, sagte ich nach einer Weile, »es wird Zeit, mit dem Theaterspielen aufzuhören. Laura hat mir gesagt, dass sie eine DEA-Agentin ist, dass sie verdeckt ermittelte. Sie wissen von dieser Droge. Sie wissen von Molinas. Es gab zwei Anschläge auf Lauras Leben, nachdem Jilly verschwunden war. Wer hat sie in Auftrag gegeben, Paul? Du? Tarcher? Dieser Erzschurke Del Cabrizo? Sag uns, was Tarcher damit zu tun hat. Erzähl uns was von John Molinas.«
»Ich muss euch überhaupt nichts erzählen. Ich will, dass ihr jetzt geht, alle beide.« Mit diesen Worten erhob sich Paul und verließ das Wohnzimmer.
Ich ging hinter ihm her. Als er das hörte, rannte er plötzlich los, die Treppe hinauf, drei Stufen auf einmal nehmend, und verschwand in seinem Labor. Als ich die Tür erreichte, war sie abgeschlossen. Es war eine stahlverstärkte Tür. Keine Chance, die einzutreten. Ich befahl ihm, aufzumachen, mich reinzulassen und mit mir zu reden, bevor die Polizei mit einem Durchsuchungsbefehl auftauchen würde, aber es blieb vollkommen still im Zimmer.
Nach zehn Minuten merkte ich, wie Savich mich am Arm berührte. »Komm, lass uns gehen«, sagte er. »Wir müssen uns neu formieren. Vielleicht sollte Laura jetzt wirklich ihren Boss anrufen und der DEA die Sache überlassen. Ein Durchsuchungsbefehl ist gar keine schlechte Idee. Die können ihn und auch Tarcher kassieren und gründlich verhören. Mann, bin ich müde. Ich spüre allmählich diesen Nachtflug.«
»Vielleicht könnt ihr, du und Sherlock, ja ein bisschen ausruhen, wenn wir wieder in der Hütte sind.«
19
Laura und ich standen Händchen haltend an der Klippe und sahen zu, wie die große rote Scheibe der Sonne im Meer versank. Es war ein milder Abend, mit einer leichten Brise vom Meer her. Wir spazierten an den Klippen entlang, alle paar Schritte anhaltend, um zu reden oder zu schmusen.
»Du hast Recht«, sagte sie, die Arme fest um meinen Hals geschlungen.
»Womit diesmal?« Ich küsste sie, dass ihr Hören und Sehen verging, bis es ihr gelang, sich loszumachen. »Wir haben heute mit fast jedem gesprochen. Du hast Tarcher herausgefordert. Du hast dir Paul vorgeknöpft und er hat sich eingeschlossen. Schwer zu sagen, was wir sonst noch machen könnten. Falls du keine bessere Idee hast, ich glaube, ich sollte tatsächlich meinen Boss anrufen und die DEA anrücken lassen.«
Savich war derselben Meinung. Ich auch. Aber was mich wie der Blitz traf, war die Tatsache, dass ich Laura erst letzte Woche kennen gelernt hatte. Und doch wusste ich, dass sie loyal war, dass ich mich hundertprozentig auf sie verlassen konnte. Nach weniger als einer Woche wusste ich, dass ich sie nicht mehr gehen lassen wollte.
Ich konnte nicht aufhören, sie anzusehen. Sie trug einfache Turnschuhe, eine enge Jeans und ein langes, weißes Hemd. Ihre Haare hatte sie mit einer Bananenspange hochgesteckt. Sie hatte ein wenig rosa Lippenstift aufgetragen, das war alles. Ich hatte allerdings die Farbe schon fast weggeküsst. Ich schaute ihren Mund an und entschied, dass es meine gottverdammte Pflicht war, auch noch den Rest zu entfernen. Ich ergriff sie beim Arm, so dass sie stehen bleiben musste. Beide blickten wir übers Meer und verfolgten den Flug eines Seemöwenschwarms, der tief über dem Wasser kreiste, auf der Suche nach dem Abendessen. Alles war still und friedlich; Salzgeruch lag in der Luft.
»Komm, setzen wir uns«, schlug ich vor. Wir entdeckten eine Gruppe von drei Felsblöcken, die dicht beieinander, etwa fünf Meter vom Rand der Klippe entfernt standen.
»Rede mit mir«, forderte ich sie auf.
»Du willst, dass ich dir sage, wie sexy du aussiehst?«
»Das auch, aber das kann warten. Erzähl mir was über dich, Laura.«
»Nun ja, ich hatte eine ganz normale Kindheit, Mac. Bin in Tacoma, Washington aufgewachsen. Mein großer Bruder und ich hatten ein sehr enges Verhältnis zu unseren Eltern.
Als Kind habe ich Klarinette spielen gelernt. Meine Technik war ganz gut, nur die Töne habe ich nicht hingekriegt. Eine Karriere als Klarinettistin kam deshalb nicht in Frage.«
»Hast wohl keins von diesen Schmalz-Solos spielen können, wie?«
»Nur einmal, in der Highschool. Ich war ein hübscher Anblick, sagte meine Mutter später, nur mein Spiel war weniger hübsch. Dann ging ich aufs Boston College, hab das Klarinettespielen sein gelassen - die Musikwelt hat aufgeatmet - und Psychologie studiert. Ich
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