Wo nur die Liebe Zählt: Die Creeds (German Edition)
denken, weshalb sie nach dem dritten Song genervt abschaltete. Sollte sie nicht eigentlich an Hunter denken? Sollte sie sich nicht vorstellen, wie sie mit Hunter eng umschlungen in irgendeiner Cowboy-Bar zu Musik aus der Jukebox tanzte? Immerhin hatte sie Conner seit ihrem gemeinsamen Lunch nicht mehr gesehen.
Hunter hingegen hatte sie eingeladen, zwischen Weihnachten und Neujahr mit ihm zusammen eine Kreuzfahrtnach Mexiko zu machen. Er hatte die Tickets bereits gekauft und ihr eines im Anhang einer seiner kurzen, aufgeregten E-Mails geschickt.
Als sie daran dachte, runzelte sie die Stirn. Sie war – begeistert. Wer wäre das nicht? Aber er hätte sie doch zumindest vorher fragen können. Stattdessen war er einfach davon ausgegangen, dass sie alles stehen und liegen lassen würde, um ihn am Weihnachtsabend in Los Angeles am Flughafen zu treffen und am nächsten Morgen an Bord des Schiffes zu gehen.
Natürlich würde sie sich zu gegebener Zeit darüber freuen, für eine Woche den strengen Winter in Colorado hinter sich zu lassen, zumal sie dieses ganze Oh-du-fröhliche-Kling-Glöckchen-klingeling-Gedudel sowieso jedes Jahr in Depressionen stürzte. Sie könnte selbstverständlich mit Natty feiern. Aber bei all der Weihnachtsmusik und den Dekorationen und Lichtern vermisste sie ihren Dad immer so schrecklich, dass es ihr die Kehle zuschnürte. Joe McCall hatte Weihnachten geliebt.
Für ihre Mutter Laurel war Weihnachten im besten Fall kein besonderes Ereignis und im schlimmsten eine Ausgeburt des Kapitalismus. Als ausgebildete Trauma-Krankenschwester wurde sie ständig zu irgendeiner Katastrophe gerufen – Überflutungen in Pakistan, Erdbeben in China, Tsunamis im Pazifik, Erdrutsche in südamerikanischen Ländern, deren Namen und Grenzen sich mit jedem Staatsstreich änderten.
Überflüssig zu erwähnen, dass Laurel und Tricia sich nicht besonders nahestanden, vor allem nicht, seit Tricia erwachsen war. Trotzdem musste sie gerechterweise zugeben, dass ihre Kindheit einigermaßen geordnet verlaufen war. Wenn man davon absah, dass ihre Eltern sich hatten scheiden lassen, als Tricia sieben gewesen war. Nach der Scheidung war sie ständig zwischen Colorado und Washington State hin und her gependelt. Solange Tricia zur Schule gegangen war, hatte Laurel ohne zu murren in einem Krankenhaus in Seattle gearbeitet, um dieHypothek für ihre kleine Wohnung abbezahlen zu können. Sie war zu fast allen Elternsprechtagen, Tanzveranstaltungen und Theateraufführungen gekommen.
Auch wenn Tricias Verhältnis zu ihrer Mutter distanziert war, würden bestimmt viele Menschen jederzeit mit ihr tauschen. Gut, sie hatte sich immer ein wenig einsam gefühlt, wenn sie nicht mit Joe und Natty in Lonesome Bend zusammen war. Na und?
Immerhin hatte sie ein Zuhause gehabt und Essen, anständige Kleidung und eine gute Schulbildung bekommen.
Wobei Laurel einen Studienabschluss in Kunstgeschichte nicht im Entferntesten als sinnvoll betrachtete. Sie hatte Tricia geraten, ebenfalls Krankenschwester zu werden – zumindest bis zu dem Tag, an dem sie die dreizehnjährige Tricia einmal mit zur Arbeit genommen hatte. Damals hatte Laurel in der Notaufnahme gearbeitet, und es war Vollmond gewesen. All das Blut und Erbrochene und Geschrei hatten Tricia so entsetzt, dass sie sich beinahe selbst übergeben hätte.
Auch heute noch, wenn sie über Skype miteinander telefonierten, konnte Laurel sich kleine Kommentare wie „Wenn du Künstlerin wärst, würde dein Abschluss wenigstens irgendeinen Sinn haben“ oder „Dir ist schon klar, dass dieser Hunter dich nur ausnutzt?“ nicht verkneifen.
Tricia umklammerte das Lenkrad fest und versuchte, diese Gedanken abzuschütteln. Sie war wild entschlossen, sich diesen schönen Tag nicht von Dingen ruinieren zu lassen, an denen sie sowieso nichts ändern konnte. Viel sinnvoller war es, sich auf die Straße nach Denver zu konzentrieren und auf Sashas Besuch zu freuen.
Valentino saß still hinter ihr und beobachtete mit Interesse die Landschaft, die am Fenster vorbeiflog. Seine Gesellschaft war angenehm. Er machte überhaupt keine Schwierigkeiten, dieser Hund.
Am Flughafen ließ Tricia das Fenster einen Spalt geöffnet und versprach ihm zurückzukommen, woraufhin er sich für ein Vormittagsschläfchen hinlegte.
Tricia schloss den Wagen ab und sah auf die Uhr. Sasha würde in weniger als einer halben Stunde landen.
So weit, so gut.
Der große Tourbus fuhr um kurz vor zwölf die staubige Straße zur
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