Wo nur die Liebe Zählt: Die Creeds (German Edition)
seicht. Einige Tiere weigerten sich trotzdem standhaft, ins Wasser zu gehen, vor allem die Kälber, und dann konnte leicht Panik ausbrechen.
Conner war überrascht – und auch wieder nicht –, als Brody ihn einholte und dabei seinen verbeulten alten Cowboyhut zurechtrückte.
„Jetzt, wo der Rest der Familie weg ist, willst du also so tun, als ob ich unsichtbar wäre?“, fragte er erstaunlich sanft.
Er blieb wie angewurzelt stehen und starrte seinem Bruderfest in die Augen. „Das hier ist eine Rinderfarm. Vielleicht sitzt du ja gern herum und verbreitest Lügengeschichten, aber ich hab was zu tun.“
Brody schüttelte den Kopf, und trotz seines schiefen Grinsens sah Conner Traurigkeit und Geheimnisse in seinen Augen. „Ich dachte, ich komme mit und helfe dir“, sagte er in diesem barschen, lang gedehnten Tonfall, den er immer anschlug, wenn er bodenständig klingen wollte. Dann wirkte er wie ein Hilfscowboy, umgänglich, etwas unterbelichtet und ohne einen Penny in der Tasche. Aber das war natürlich alles Blödsinn. Niemand wusste das besser als Conner. Vielleicht jedoch gelang es Brody normalerweise so leicht, die Leute hinters Licht zu führen, dass er es jetzt auch einmal bei seinem Zwillingsbruder versuchen wollte.
Ziemlich unklug, da sie sich einmal so nahe gestanden hatten, dass sie nicht nur jeden Satz des anderen beenden konnten, sondern sogar mitunter ausgedehnte Gespräche miteinander geführt hatten, nur um hinterher festzustellen, dass sie kein einziges Wort laut ausgesprochen hatten.
„Danke“, entgegnete Conner schließlich, als das Schweigen sich zu lange hinzog und ihm klar wurde, dass Brody geduldiger war als er. „Aber ich schaffe das schon allein.“ So wie all die Jahre, in denen du unterwegs warst und auf vogelfrei gemacht hast.
Natürlich griff Davis ihm immer unter die Arme, aber darum ging es nicht. Beide Brüder hatten die Ranch geerbt, aber Brody hatte sich einfach verdrückt und ihn in der Tinte sitzen lassen. Conner war es gewesen, der alle Entscheidungen treffen und die Arbeit übernehmen musste. Und das war mit Sicherheit einer der Gründe dafür, dass er bis heute nicht bekommen hatte, was er sich am meisten wünschte.
Brody seufzte schwer, neigte den Kopf zur Seite, als wäre sein Nacken verspannt, und betrachtete Conner mit einerMischung aus Ärger, Belustigung und Mitleid. „Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Diese Ranch gehört zur Hälfte mir. Also auch die Rinder und die Pferde. Während ich hier bin, möchte ich mich gern nützlich machen, kleiner Bruder, ob es dir passt oder nicht.“
„Oh, ich weiß sehr wohl, dass die Ranch genauso dir wie mir gehört“, stieß Conner grimmig durch die fest zusammengepressten Lippen hervor. „Glaub mir. Daran muss ich jedes Mal denken, wenn ich dir einen dicken Scheck dafür schicke, dass du mir gefälligst vom Leib bleibst. Aber das ist es mir wirklich wert!“
Darüber musste Brody zwar lachen, doch seine Augen blieben ernst. „Verdammt, du bist nachtragender als jeder andere Mensch, den ich kenne.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Und das will was heißen bei meiner Vergangenheit mit Frauen.“ Er schwieg nachdenklich. „Willst du Joleen zurückhaben? Bitte sehr. Ich stehe dir bestimmt nicht im Weg.“
Obwohl sein Mund staubtrocken war, spuckte Conner auf den Boden. „Zur Hölle“, blaffte er. „Ich würde Joleen nicht mal mit Handschuhen anfassen.“
„Weißt du, was dein Problem ist, kleiner Bruder? Du bist eifersüchtig. Und das hat weder was mit Joleen noch irgendeiner anderen Frau zu tun. Es geht darum, dass ich hinaus in die Welt gezogen bin und gelebt habe. Ich habe all das getan, was du immer tun wolltest, während du hier warst wie dieser Kerl in der Bibel, um zu beweisen, dass du der gute Sohn bist.“
Brodys Worte trafen Conner bis ins Mark, aber er gönnte seinem Bruder den Triumph nicht, ihn aus der Fassung zu bringen. Diesmal nicht. „Du redest Schwachsinn“, sagte er darum nur, wandte sich ab und ging in den Stall. Dort wählte er ein Pferd aus und führte es aus seiner Box in den Gang, um es zu satteln. Brody machte das Gleiche. Sie arbeiteten in einem so gereizten Schweigen, dass die Tiere ganz nervös wurden.
Wie üblich war es Brody, der das Schweigen brach. Er schwang sich in den Sattel, zupfte noch einmal an seinem Hut, was entweder bedeutete, dass er verunsichert oder verärgert oder beides war, und duckte sich, um in den sonnigen Oktobermorgen
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