Wo nur die Liebe Zählt: Die Creeds (German Edition)
in der Seele weh.
Als sie die Herde erreichten, blieben die Brüder jeder auf einer Seite und halfen den vier Arbeitern dabei, die fast dreihundert brüllenden und störrischen Rinder über die Furt in dem Fluss zu treiben.
Diese Knochenarbeit dauerte den ganzen Morgen, da Rinder im Gegensatz zu Hunden und Pferden nicht besonders intelligent waren und sich immer wieder in alle Richtungen verstreuten wie die Samen einer Pusteblume. Dabei blieben sie im Matsch stecken und trampelten sich gegenseitig nieder, und nicht selten gerieten auch erfahrene Cowboys unter ihre Hufe. Hin und wieder brach sich ein Pferd das Bein oder wurde auf die Hörner genommen.
Brody erwies sich als große Hilfe, aber was hieß das schon? Gute Reiter fand man in diesem Teil des Landes an jeder Ecke. Die meisten Leute waren praktisch im Sattel geboren worden. Gute Brüder hingegen waren rar gesät.
Als endlich alle Rinder den Fluss durchquert hatten und sich über das frische, unberührte Gras hermachten, ging ihr wütendes Gebrüll in ein dumpfes Muhen über. Conner sprach kurz mit dem Vorarbeiter, dann lenkte er sein Pferd zurück nach Hause. Er sehnte sich nach einer Dusche, frischer Kleidung und einem so dick belegten Sandwich, dass man es nur mit einer Kettensäge durchschneiden konnte. Obwohl er ständig unter der für einen alleinstehenden Rancher typischen Einsamkeit litt, wollte er jetzt eine Weile allein sein, um seine Gedanken zu sortieren und sich einen Reim darauf zu machen.
Aber von wegen.
Brody holte ihn am Fluss ein, den sie nebeneinander durchquerten. Wasser spritzte auf und durchnässte ihre Beine.
Die Abkühlung tat gut, zumindest äußerlich, doch innerlich kochte Conner noch immer.
„Das alte Haus hat schon eine Menge gesehen“, bemerkte Brody, als sie am anderen Ufer angekommen waren. Kurz stellte er sich in den Steigbügeln auf, um seine Beine auszustrecken. Das Haus war selbst aus dieser Entfernung gut zu erkennen, ein zweistöckiges Gebäude, weiß mit grünen Fensterläden und einer umlaufenden Veranda. Es wirkte in dieser Gegend seltsam deplatziert, da es ein sogenanntes Saltbox-Haus und damit eher elegant als rustikal war und besser in eine Küstenstadt in New England gepasst hätte als in das Hochland von Colorado.
Anfangs war es nur eine Hütte gewesen. Dieser Teil des Hauses mit seinen Wänden aus Baumstämmen diente heute als Lagerraum. Doch im Lauf der Generationen hatten die Creed-Frauen ihre Männer dazu überredet, hier eine Küche und dort ein Wohnzimmer und immer mehr Schlafzimmer anzubauen,um die größer werdende Kinderschar unterzubringen. Jetzt umfasste das Haus 650 Quadratmeter, war voller Antiquitäten und konnte bequem zwölf Bewohner beherbergen.
Conner, der viel Zeit allein verbrachte, hätte geschworen, dass es in dem Haus spukte. Vielleicht hörte er keine richtigen Stimmen, aber doch die Schwingungen von Gesprächen, manchmal ein Kinderlachen und ganz selten schien eine Saite der vergoldeten Harfe seiner Ur-Ur-Urgroßmutter angeschlagen zu werden.
In diesem geräumigen, robust gebauten Haus mit seinem soliden Dach und den Wänden, die dick genug waren, um im Winter den Schneestürmen standzuhalten, fehlte einfach eine Frau. Was Conner natürlich niemals zugegeben hätte. Und schon gar nicht Brody gegenüber.
„Du hast recht, das alte Haus hat wirklich schon einiges gesehen“, räumte er mit einiger Verzögerung ein.
„Fühlst du dich nicht manchmal einsam in dem großen, alten Haus, jetzt wo Kim und Davis in ihr eigenes gezogen sind?“
Conner hatte keine Lust, mit seinem Bruder zu plaudern. „Nein“, log er und trieb sein müdes Pferd an.
Weißt du noch, wie wir uns gegenseitig immer zu Tode erschreckt haben mit diesen Geistergeschichten über verstorbene Ahnen?“ Trotz des Schattens, den der Hut auf sein Gesicht warf, war Brodys Grinsen deutlich zu erkennen.
„Klar, weiß ich noch.“
Sie näherten sich dem Stall, der beträchtlich neuer war als das Haus. Ihr Großvater, den sie nie kennengelernt hatten, hatte ihn gebaut, nachdem er voll mit Bombensplittern und schweigend aus dem Vietnamkrieg zurückgekehrt war. Er war jung gestorben, und seine Frau war ihm kurze Zeit später gefolgt. Ab und zu fragte Conner sich, ob er womöglich nie geheiratet hatte, weil so viele Mitglieder seiner Familie viel zu früh gestorben waren.
„Lächelst du eigentlich jemals?“, fragte Brody, als sie vor dem Stall abstiegen. „Oder sagst mehr als zwei Worte hintereinander?“
„Ich
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