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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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Mensch im Menschen, Engel in den Engeln & ist schließlich in Gott, sozusagen, Gott selbst.«
    Und da es mir nicht recht leichtfiel zu begreifen, wie dieses samengleiche Licht in die Körper geriet, um in ihnen zu wirken:
    »Nun, durch die Seele, Caspar!«, antwortete er mir lächelnd. »Jedenfalls gilt dies für den Menschen, das einzige Geschöpf, das über eine solche verfügt. Und bei allen anderen durch das Salz, jenen Urstoff aller gestalteten Körper. Denn das Salz ist in Wahrheit der zentrale Körper der Natur, ist Tugend, Stärke, Kraft der Erde, das Konzentrat aller Tugenden der Erde, der Lenker aller natürlicher Prinzipien. Von seiner zentralen Essenz hängt alle Wissenschaft & Kenntnis der Natur ab; es ist der Stoff, aus dem alle Dinge gemacht sind, etwas – wie Homer es benennt – geradezu Göttliches! Die Erde, also das Zentrum & die Mutter aller Dinge, der Ort, an dem die Elemente ihren Samen spenden, welchen sie in ihrem Busen erwärmt, kocht & verdaut, ist nichts anderes als ein vom universellen Samen zum Gerinnen gebrachtes Salz; ein Salz, in dessen Innerstem sich jener Geist verbirgt, welcher dank seiner Eigenschaften & Form ein Jegliches zu Form bringt & belebt, so dass man es mit Fug & Recht als eine Art Seele der Erde bezeichnen kann …«
    Nie zuvor hatte sich Kircher zu solchen Gipfeln aufgeschwungen, & obschon geschmeichelt, dass er mich für würdig befand, ihm dorthin zu folgen, gestand ich ihm doch die Verwirrung, die in meinem Geiste herrschte. Die Seele, also der anfängliche Gegenstand unseres Gespräches, schien mir schon seit geraumer Weile aus dem Blick geraten, & folglich suchte ich, wieder darauf zu sprechen zu kommen.
    »Du glaubensschwacher Mann!«, tadelte er mich freundlich, »hast du denn kein Zutrauen mehr zu meinen geistigen Fähigkeiten? So wisse denn: Anders, als deine Fragen vermuten lassen, waren wir dem, was dich beschäftigt, nie näher als jetzt, denn was ich dir über die Gestirne, die Erde & die Pflanzen sagte, kannst du nun selbst auf den Menschen übertragen. Bekanntlich hat der große himmlische Gärtner in unserem Gehirn bei dessen Geburt einen kleinen Rest jener Panspermie gelassen, welcher sich in der Zirbeldrüse befindet & sich mit dem mischt, was wir gewöhnlich
Seele
nennen. Je nachdem, welche Samen ein Mensch nun pflegt, so werden nur diese auch keimen. Sind es pflanzliche Samen, so wird der Mensch eine Pflanze; sinnliche, so wird er ein Rohling; vernunftmäßige, so wird er ein lebender Himmelskörper; intellektuelle, so wird er ein Engel usw. Doch versenkt der Mensch sich, unzufrieden mit allen Geschöpfen, im Mittelpunkt seiner Einheit und wird eines Geistes mit Gott in der einsamen Dunkelheit des Vaters, so wird er alle Dinge überragen. Dergestalt, dass es im Universum nichts gibt, was man nicht im Menschen wiederfinden könnte, dem Sohne der Welt, für den alles andere erschaffen ward …«
    Mir schien, als begänne ich endlich zu begreifen, worauf mein Meister hinauswollte: Wenn die menschliche Seele, trotz ihrer göttlichen Natur, eine Körperlichkeit besaß, dem Feuer vergleichbar – im Falle der Sterne – oder dem Salze – im Falle der Erde –, so war sie auch ganz wie diese bestimmten Mutationen unterworfen!
    »Ja, Caspar, Mutationen! Doch auch der Fermentation, der Koagulation & anderen der Materie eigenen Wandlungen: Wenn sie denn diesen Grad der Verfeinerung erreicht … Denke an die Alchimie, & du wirst feststellen, dass dasjenige, welches in unserer Seele geschieht, den mysteriösen Transmutationen vergleichbar ist, welche sich bisweilen im Tiegel ereignen. Ich habe in den verflossenen Monaten viel über die Natur der Seele nachgedacht & sämtliche Lehren geprüft, die es bis zum heutigen Tage gab, & Gott hat mir die Hilfe seiner leuchtendsten Denker geschenkt: Pythagoras, Demokrit, Plato, Aristoteles & die anderen haben ein jeder eine andere Definition dessen gegeben, was uns hier beschäftigt, doch obgleich ein jeder sich der Wahrheit auf je eigene Weise zu nähern suchte, haben sich doch alle getäuscht, & zwar wegen der Beschränktheit ihrer Perspektiven. Die Seele nämlich ist weder eine Zahl noch ein Atem, noch ein Funken des göttlichen Feuers; sie ist durchaus keine Zusammenballung unverbundener Atome noch eine immatrielle Dreieinigkeit aus Sinnlichkeit, Willen und Vernunft, ebenso wenig ist sie eine Form des Körpers noch reiner Gedanke – sondern sie ist all dies
zugleich!
Ja, Caspar, all dies,

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