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Wo Träume im Wind verwehen

Wo Träume im Wind verwehen

Titel: Wo Träume im Wind verwehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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ihre Söhne lehrten. Er stattete sie mit Kompass und Schweizer Armeemessern aus. Er zeigte ihnen, wie man sich an den Gestirnen orientiert, Fährten im unwegsamen Gebirge liest und jagt, um in der Wildnis zu überleben.
    Ein Fremder war in sein Heim eingedrungen. Die Gründe zählten nicht. Seither war Hugh überzeugt, dass hinter jeder Ecke ein Schurke lauerte, und bestand darauf, dass seine Töchter lernten, sich selbst zu verteidigen, auch wenn seine Affäre mit James Connors Frau die Ursache des Angriffs war.
    Sie fuhren landeinwärts nach Norden, durch Kiefernwälder und an Wiesen mit gelben Blumen vorbei. die Landstraße folgte einem träge dahinströmenden braunen Fluss, und als Skye klein war, forderte er sie auf, die roten Scheunen und schwarzen Kühe zu zählen, damit sie beschäftigt war. Ihr Vater war so berühmt, dass alle Welt sich um ihn riss, aber bei solchen Ausflügen gehörte er ihnen alleine.
    Als sie nach New Hampshire kamen, zum Redhawk Mountain, luden sie ihre Campingausrüstung aus. Die Bäume waren hoch, und magere grüne Raupen hingen an silbernen Fäden von den Ästen und Zweigen. Ihr Vater half ihnen, die Zelte aufzustellen; dann nahm er die Jagdwaffen aus den Futteralen. Die Kaliber.22-Gewehre waren schwer, vor allem, als die Mädchen noch klein waren, aber ihr Vater brachte ihnen bei, wie man sie langsam hebt und mit Bedacht zielt.
    Hughs Gesicht war, wenn sie am Lagerfeuer saßen, von Sorge überschattet, weil er drei Töchter hatte und die Welt ein unerbittlicher Ort war.
    Caroline hatte zwischen Clea und Skye Platz genommen, ihm zugehört und den nächtlichen Geräuschen in der Wildnis gelauscht. Er hatte ihnen eingeschärft, dass es wichtig sei, schießen zu lernen, um sich gegen Raubtiere aller Art zu wehren. Seine Töchter waren feinfühlig und gutherzig. Von anderen konnte man das nicht behaupten, und in einer Welt, in der es hieß, fressen oder gefressen werden, wimmelte es von üblen Zeitgenossen. Als anschauliches Beispiel dafür, dass er mit seiner Einstellung Recht hatte, führte er den Mann an, der in ihr Haus eingedrungen war. Er hatte dabei so sanft gesprochen, als hätte er ihnen eine Gutenachtgeschichte erzählt.
    Das Feuer prasselte. Ihre Schwestern hatten sich an sie gekuschelt, und ihr Vater hatte sie an sich gezogen. Er wusste, dass sie die Natur liebten und genau aufschrieben, welche Vögel sie gesehen hatten. Jede hatte eine eigene Gartenparzelle auf Firefly Hill. In gewisser Hinsicht glich die Pirsch einer Wanderung unter freiem Himmel. Je lautloser man sich bewegte, desto mehr Tiere bekam man zu Gesicht. Und wenn es an der Zeit war, eines zu töten, wurde man eins mit ihm. Die Jagd löste eine geheimnisvolle Spannung aus, weckte schlummernde, von den meisten Menschen längst vergessene Instinkte, bewirkte tief im Innern ein unvorstellbares Aufbäumen des Lebens. Für Hugh Renwick besaß die Jagd den gleichen Reiz wie das Malen – den Rausch der Macht als Herr über Leben und Tod.
    Caroline glaubte nicht eine Minute daran. Sie war dreizehn, Clea elf und Skye acht. Wenn sie ihrem Vater zuhörten, die Gesichter glühend im Feuerschein, waren die drei Mädchen nicht Herr über Leben und Tod, sondern verängstigt. Aber sie vertrauten ihm blind. Er war liebevoll und leidenschaftlich um ihr Wohl besorgt, und wenn er meinte, dass sie schießen lernen mussten, galt sein Wort als Gesetz.
    Das erste Tier, das Caroline erlegte, war ein Eichhörnchen. Es saß auf dem Ast einer Eiche, den gebogenen Schwanz hoch aufgerichtet. Sie zielte, wie sie es von ihrem Vater gelernt hatte, und drückte auf den Abzug. Das Eichhörnchen überschlug sich. Wie ein Spielzeug im Regal fiel es vom Ast hinunter. Es lag auf dem Boden, mit einem schwarzen Loch in seinem Fell. Caroline war speiübel.
    Ihr Vater wollte, dass sie ausschwärmten, den Berg erkundeten und alleine jagten. Wenn ein solches Maß an Unabhängigkeit für Caroline schon erschreckend war, konnte sie sich vorstellen, was ihre jüngeren Schwestern dabei empfanden. Sie gewöhnte sich an, Skye zu folgen. Sie suchte sie und schlich ihr nach, in fünfzig Meter Entfernung, um ein Auge auf sie zu haben, als wäre Skye ihre Beute.
    Einmal überquerte Skye eine schmale Hängebrücke, die über einen Fluss führte. Auf halber Strecke verlor sie den Halt und stürzte in die Tiefe. Caroline warf ihr Gewehr hin, schleuderte ihre Schuhe von sich und sprang ihr nach. Es war Frühlingsanfang, und der Fluss, der aus dem Norden kam, war eisig

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