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Wo Träume im Wind verwehen

Wo Träume im Wind verwehen

Titel: Wo Träume im Wind verwehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Vater die Schuld für alles gegeben, was damals geschah.«
    »Und ich deiner Mutter«, entgegnete sie.
    »Trotzdem hatte er kein Recht, euch den Umgang mit Waffen beizubringen. Unter gar keinen Umständen, und schon gar nicht nach dem, was mit meinem Vater passiert war. Direkt vor euren Augen.«
    Er schüttelte den Kopf.
    Caroline fragte sich, was er wohl gesagt hätte, wenn er alles gewusst hätte. Sie hatte nicht vor, es ihm zu erzählen, und sie bezweifelte, dass Skye ihn noch einmal anrufen würde. Sie schloss die Augen und dachte daran zurück, was auf dem Redhawk Mountain geschehen war.
    »Ich kann mir vorstellen, was du empfindest.« Ihre Stimme klang gepresst. Sie verstummte, als Joe den Kopf schüttelte.
    »Nein, das kannst du nicht.«
    »Was meinst du damit?«
    »Mein Vater hat sich umgebracht. Es ist schlimm, herauszufinden, dass der eigene Vater sich lieber eine Kugel in den Kopf schießt als nach Hause zu kommen.«
    »Ich weiß.« Carolines Herz klopfte, ihre Hände zitterten. Der Wellengang war immer höher geworden, und das Schiff schwankte auf und ab.
    »Das weißt du nicht, Caroline«, erwiderte Joe, um einen ruhigen Ton bemüht. Sie sah ihm an, dass er der Meinung war, er sei der Einzige, der gelitten hatte, und Caroline könne nicht mitreden. »Tut mir Leid, das sagen zu müssen, aber du hast keine Ahnung.«
    »Ich war dabei, als es geschah!«, rief sie heiser. Er schien nicht zu begreifen, wie es für sie gewesen war, schien nicht zu glauben, in welchem Maß sie mitgelitten hatte. »Ich war bei ihm! Der Tod deines Vaters gehört zu meinen frühesten Kindheitserinnerungen! Er hat mir so Leid getan, Joe. Dein Vater und du.« Die Gefühle überkamen sie mit einer solchen Macht, dass sie explodierten. »Wir waren ungefähr im gleichen Alter, du und ich, und ich dachte immer wieder: ›Sein Vater ist tot.‹« Sie brach ab und rang um Fassung.
    Joe beobachtete sie schweigend und reglos.
    »Unsere Eltern waren wütend auf ihn und meinten, wir hätten ebenfalls allen Grund dazu. Mein Vater rastete aus, wenn er auch nur daran dachte, dass er uns bedroht hatte. Deshalb brachte er uns den Umgang mit der Waffe bei; das war der einzige Grund.«
    »Und deshalb hat er euch mit auf die Jagd genommen?«
    Caroline fuhr fort, als hätte sie seine Worte nicht gehört. »Meine Eltern hassten deinen Vater, und sie wollten, dass Clea, Skye und ich das Gleiche empfanden. Aber Gefühle lassen sich nicht erzwingen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie entrüstet sie waren, als ich dir schreiben wollte. Aber ich musste es tun.«
    »Warum?«
    »Um dich zu trösten.«
    »Du warst erst fünf. Warum hätte es deine Aufgabe sein sollen, mich zu trösten?«
    »Es war nicht meine Aufgabe. Aber ich musste immer an dich denken!«, entgegnete sie.
    Das Schiff stampfte einen Wellenberg hoch und sackte gleich darauf weg. Sie überlegte, ob sich so ein Erdbeben anfühlen mochte, wenn sich die Erde unter den Füßen auftut. Sie spürte, wie Joes Arm sie umfing, grob und zupackend. Er zog sie hoch und stellte sie auf die Füße. Sie brachte es nicht fertig, ihn anzusehen, da Tränen in ihren Augen brannten, aber seine Hand, die auf ihrem Nacken ruhte, war plötzlich ganz sanft. Seine Fingerspitzen fuhren über ihre Haut unter dem Haaransatz, und sie ertappte sich dabei, wie sie aufstöhnte.
    Seine Lippen streiften ihre Wange, als sie ihm ihr Gesicht entgegenhob. Er hatte sich mindestens zwei Tage nicht rasiert, und sein Gesicht war stopplig, als er sie an sich riss. Sie küssten sich wie zwei Ertrinkende. Der Kuss schmeckte nach Salz, nach Meer, Tränen und Blut, war besitzergreifend und gewalttätig. Er weckte in Caroline das Gefühl, in einem Sturm an Deck zu stehen. Joes Berührung löste einen Schauer aus, der sie von Kopf bis Fuß erbeben ließ, ihre Haut prickelte, und sie zitterte, als er ihren Namen flüsterte.
    Erschrocken über ihre eigenen Empfindungen, versuchte Caroline sich aus seiner Umarmung zu befreien. Joes Augen waren dunkel, zorniger als zu Beginn ihres Gesprächs, aber er ließ sie nicht los. Seine Miene war verwirrt, als könnte er nicht glauben, dass er sie soeben geküsst hatte. Er packte ihre Arme und hielt sie fest. Wieder streiften seine Lippen über ihre Wange, und er flüsterte etwas, was sie nicht verstand. Als er sich zurücklehnte, waren seine Augen beinahe sanft. Der Ausdruck währte gleichwohl nur einen Moment. Abrupt gab er sie frei.
    »Es ist besser, wenn ich jetzt zurückfahre«, sagte sie

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