Wo unsere Träume wohnen
und stellte den Motor ab. „Es ist nicht die falsche Schule“, erwiderte er. „Hier ist alles vom Kindergarten bis zur achten Klasse untergebracht.“
„Ich soll mit den Babys zur Schule gehen?“
Bitte, lieber Gott. Lass uns die nächsten sechs Jahre oder so einfach im Zeitraffer durchlaufen.
Vor sich hinmurmelnd, dass ihre neuen Schulkameraden vermutlich noch auf den Topf mussten, ließ seine Tochter sich ins Schulbüro führen. Erst als die Sekretärin ihm die Formulare für die Anmeldung aushändigte, wurde ihm klar, dass Stacey nicht ganz unrecht hatte.
Wie sollte Violet bei ihm glücklich werden, als Angestellte in einem Gasthaus, das sie zu erben gehofft hatte? Sicher, sie hatte es verkaufen wollen, aber trotzdem …
„So, bitte schön.“ Johnnie, so stand es auf ihrem Namensschild, gab ihm Staceys Impfpass und die Geburtsurkunde zurück. Er überflog die Formulare, die er gerade ausgefüllt hatte, und lächelte zu Stacey hinüber, die an der Tür auf einem Plastikstuhl saß, an einem Fingernagel kaute und aussah, als hätte sie gerade erfahren, dass iPods verboten worden waren. „Kein Hausarzt?“, fragte die Sekretärin.
„Wir sind gerade erst hergezogen.“
Die grauhaarige Lady strahlte ihn an. „Ich kann Ihnen eine Liste unserer Ärzte und Zahnärzte geben, wenn Sie möchten.“
„Danke, das wäre sehr hilfreich.“
„Oh!“ Sie hob den Kopf. „Sie sind der Mann, der den Gasthof der Hicks gekauft hat?“
„Der bin ich.“
Johnnie verschränkte die Arme. „Es war mal so schön dort. Als die beiden noch am Leben waren, meine ich. Aber als Creighton, der Ehemann von Doris, krank wurde, ging es bergab. Sie schaffte es einfach nicht allein. Damals mussten die Gäste ein Jahr im Voraus reservieren. Ich weiß, wir sind hier ein wenig abseits, aber es gibt viel zu erleben. Die Schlachtfelder, die Museen und das Kunstfestival im Sommer. Zum Skilaufen müssen Sie natürlich hoch in den Norden, aber wir haben hier überall Wanderrouten …“
Sie lachte. „Ich klinge wie ein Prospekt, was? Aber es wäre wirklich schön, wenn der Gasthof wieder zu neuem Leben erwacht.“
„Ich werde mein Bestes tun“, versprach Rudy lächelnd.
„So, Stacey.“ Johnnie winkte ihr zu. „Ich bringe dich zur stellvertretenden Direktorin. Sie wird sich um dich kümmern.“
Stacey stand auf wie eine Todeskandidatin, und Rudy fragte sich, ob er sie zu sehr behütet hatte. Vielleicht hätte er ihr mehr neue Erfahrungen zumuten müssen. Sie sah ihn an. Wehe, du umarmst mich jetzt, sagte ihr Blick.
„Ich bin zurück um …“ Er schaute zur Sekretärin hinüber.
„Drei“, ergänzte sie und streckte den Arm aus, um Stacey zu ihrer Chefin zu bringen. Seine Tochter machte zwei Schritte auf sie zu, Rudy einen in Richtung Ausgang, bevor Stacey herumwirbelte, die Arme um seine Taille schlang, ihn sofort wieder losließ und blitzschnell verschwand.
Verblüfft verließ er das Gebäude und fragte sich auf dem Weg zwischen den Kindern hindurch, wie lange er seine Tochter auf die Folter spannen durfte. Wie lange er sie unter Heimweh und dem Verlust ihrer Freunde und gewohnten Umgebung leiden lassen konnte, bevor er nachgab?
Und was, wenn es ihm nicht gelang, den Gasthof wieder in Schwung zu bringen? Begeisterung war ja gut und schön, aber vielleicht war er etwas zu naiv an dieses Projekt herangegangen. Sicher, er hatte ein paar Kurse gemacht und alles gelesen, was er über Frühstückspensionen zwischen die Finger bekam, aber …
„Rudy?“
Überrascht drehte er sich um und schaute in Violets sommersprossiges Gesicht, von kupferfarbenen Locken umrahmt, die sich auf den formlosen Daunenmantel ergossen. Im Sonnenlicht war sie … unglaublich. Er musste sich beherrschen, um sie nicht anzufassen und sich daran zu erinnern, wie eine Frau sich anfühlte. Welches Verlangen sie in ihm wecken konnte.
„Ich habe nach Ihnen gerufen“, sagte sie. „Haben Sie mich nicht gehört?“
Er schüttelte den Kopf. „Die ganzen Kinder … waren so laut.“
Ein besorgter Ausdruck huschte über ihr Gesicht. „Rudy? Es hat vor fünf Minuten geläutet.“
Rudy schaute sich um. Der Pausenhof war menschenleer. Was war los mit ihm? „Ihre Kinder gehen auch auf diese Schule, nehme ich an.“ Etwas Intelligenteres fiel ihm nicht ein.
„George ja. Julian ist noch zu klein“, erwiderte sie und schaute über die Schulter zu dem mit Schlammspritzern übersäten Kombi hinüber, dem man die vielen Winter in Neuengland deutlich ansah.
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