Wo unsere Träume wohnen
hatten sich angefreundet. Mitch muss geahnt haben, was ihr Stiefvater mit ihr machte, und hat seine Mom überredet, Violet aufzunehmen.“
„Und ihr Stiefvater?“
„Verschwunden. Soweit ich weiß, hat sie nie wieder etwas von dem Mistkerl gehört. Gott sei Dank, was? Bei Mitch und seiner Mom hat sie sich zum ersten Mal seit Jahren sicher gefühlt. Mitch hat mir das Leben gerettet, hat sie mal gesagt.“ Betsys Mund wurde schmal. „Und damit hat sie vermutlich recht.“
„Also hat sie ihn geheiratet?“
„Erst ist sie schwanger geworden, und ja, George ist eindeutig von Mitch. Sie hat ihn geheiratet. Er war alles, was sie hatte. Aber dann hat er sie sitzen lassen, und sie war am Boden zerstört. Weil sie ihm vertraut hat. Er hat ihr Vertrauen mit Füßen getreten. Kein Wunder, dass die Frau verwirrt und vorsichtig ist. Das wäre ich an ihrer Stelle auch.“
Rudy warf die leere Dose in den Abfalleimer. Seine Hand zitterte. „Glaubst du, sie waren jemals glücklich?“
„Glücklich?“ Sie lachte. „Wer zum Teufel kann das wissen? Sie haben sich verstanden, und wahrscheinlich haben sie sich auch geliebt. Oder geglaubt, es zu tun. Mitch war gut zu ihr und den Jungen. Aber manchmal hatte ich den Eindruck, dass er sich überfordert fühlte.“ Betsy zuckte mit den Achseln. „Trotzdem hat Violet sich die Schuld am Scheitern ihrer Ehe gegeben. Typisch! Nach dem, was sie durchgemacht hatte, war er für sie der rettende Engel, und dafür wird sie ihm wohl immer dankbar sein.“ Sie machte eine Pause. „Du weißt, dass er ihr schreibt?“
Rudy nickte. „Und nach jedem Brief geht ihre Laune in den Keller.“
„Wem sagst du das? Sie sitzt in einer emotionalen Achterbahn. Kaum hat sie sich erholt, kommt der nächste Brief … und schon geht es wieder bergab! Ich glaube, er hat gar nicht vor, zu ihr zurückzukehren – er will nur wissen, dass Vi ihn noch liebt.“
Rudy schnappte nach Luft. „Meinst du, das tut sie?“
„Ich glaube, Vi weiß gar nicht, was sie fühlt. Sie ist innerlich zerrissen. Einerseits will sie ganz von vorn anfangen, andererseits kann sie nicht vergessen, wie gut sie es bei Mitch hatte. Jedenfalls um Welten besser als davor.“
Betsy runzelte die Stirn. „Sie wollte sich immer nur sicher fühlen. Bei jemandem sein, der ihr nicht wehtut. Und jetzt hat sie eine höllische Angst davor, sich wieder sicher zu fühlen, weil sie dem Frieden nicht traut. Ehrlich gesagt, das kann ich sogar verstehen.“
Ausgerechnet in diesem Moment kamen die Jungen aus dem Garten. Aber das machte nichts. Rudy hatte die Antworten, die er brauchte. Mehr, als ihm lieb war.
„Ich muss los“, verkündete Betsy und stand auf. „Ja, Baby“, sagte sie zu Jarred, bevor er protestieren konnte. „Wir fahren jetzt. Rudy muss arbeiten. Und ich auch, sonst essen wir nicht vor Mitternacht.“
Auf dem Weg zur Haustür drehte sie sich noch einmal um. „Mir ist gerade eine Idee gekommen. Wenn Violet wirklich glaubt, dass sie es niemals besser haben wird als bei Mitch, muss jemand sie vom Gegenteil überzeugen. Davon, dass die Zukunft noch schöner sein kann als die Vergangenheit.“ Sie zog eine Augenbraue hoch. „Und da kommst du ins Spiel, großer Junge.“
Ja, sicher, dachte Rudy. Im Flur fiel sein Blick auf die Stiefel seiner Tochter. Er hatte viel über Violet gelernt, aber im Spiel blieb er nur, wenn eine gewisse Zwölfjährige es nicht vorzeitig abbrach.
8. KAPITEL
„Es ist so unfair, Tante Mia!“, rief Stacey in ihr Handy. „Dad gräbt sich hier immer fester ein! Und jetzt ist Violet auch noch seine Geschäftspartnerin …“ Sie stemmte die Füße gegen den Boden unter dem Baum und verdrehte die Schaukel, auf der sie saß. „Ich zähle praktisch gar nicht mehr! Dad trifft alle Entscheidungen, ohne mich zu fragen!“
Ihre Tante schwieg einen Moment. Kein gutes Zeichen.
„Hör zu, Stace. Ich will ehrlich zu dir sein. Ich finde nämlich, du bist alt genug, um zu verstehen, was ich dir sage, okay?“ Stacey antwortete nicht. „Okay?“, wiederholte Mia.
„Okay.“
„Ich weiß, dass der Umzug schwer für dich war. So eine Umstellung macht einem immer Angst. Aber es tut mir leid, Süße, es ist nun mal so, dass die Erwachsenen die Entscheidungen treffen, nicht die Kinder. Und für mich klingt es so, als ob du gar nicht versuchst, es zu akzeptieren. Du findest alles schlimm, und damit fertig. Also machst du dich selbst unglücklich.“
„Ich mache mich nicht unglücklich. Ich bin
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