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Wodka und Brot (German Edition)

Wodka und Brot (German Edition)

Titel: Wodka und Brot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mira Magén
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mit Recht. Nur wer schon alles hat, wird sein Geld für einen Beleuchtungskörper in Form eines Frauenkörpers ausgeben, bei dem das Licht aus den Brüsten kommt, oder in Form nackter Männer, die aus ihrer Männlichkeit leuchten, oder für Nymphen, deren fettes Hinterteil Licht gibt. Für Kleinkinder, die schon alles haben, stellen sie Pinocchio-Lampen her, bei denen das Licht aus den Nasenlöchern kommt, oder Aschenputtel, deren gläserne Schuhe rosa flimmern. Zu Nadavs Geburtstag hatten sie ihm ein Hündchen mitgebracht, das Licht bellte, wenn man es mit der Steckdose verband. Bei unserem Umzug ins Dorf nahmen wir das Hündchen nicht mit, es blieb schweigend und mit gezogenem Stecker in der Stadtwohnung zurück.
    Bezalel und Alisa hatten ein gutes Leben, wie man so sagt, sie wurden geboren, als der große Krieg auszubrechen drohte, sie in einem Kibbuz, er in einer Kooperative im Scharon. Zu der Zeit, als sie hier lauthals sangen »Das Land, das unsere Väter begehrten«, wurden zwei Kinder im gleichen Alter, Jizchak und Channa, die woanders zur Welt gekommen waren, zu Feinden der Menschheit erklärt. Später brachten sie mich und Jonathan auf die Welt und eröffneten einen Lebensmittelladen für Kunden, die nicht alles hatten.
    Vor vielen Jahren hatten sich die beiden Paare getroffen, um ernsthaft über meine und Gideons gemeinsame Zukunft zu sprechen. Bezalel und Alisa waren angezogenwie zum Konzert, sie trug ein blaues Chiffonkleid und hatte sich die Haare gewellt, und er hatte einen eleganten Anzug und eine weinrote Krawatte an und brachte eine große Babek-Schachtel mit. »Das ist für euch«, sagte er, hielt meinem Vater die Schachtel hin und lachte. »Das ist ein Geschenk aus unserer Produktion.« Im Wohnzimmer meiner Eltern brannten zwei Lampen mit 40-Watt-Birnen und in der Küche eine schmale Neonröhre, die immer lange flimmerte, bevor sie mattes Licht verströmte.
    »Packt aus«, drängte Bezalel, und mein Vater, in seiner guten Hose und einem seiner drei Hemden, die er sonst zu Elternversammlungen, zu Beerdigungen und zu Schoah-Gedenkfeiern trug, riss den Verschluss der Schachtel auf, und zum Vorschein kam ein Marmorspringbrunnen mit einer Löwenfigur in der Mitte und einem weißen runden Sammelbecken.
    »Schließt es an den Strom an, und ihr werdet die Effekte sehen.« Der Gast war begierig und ungeduldig. Mein Vater brachte eine Verlängerungsschnur und steckte den Stecker in die Dose. Strahlendes Licht fiel aus der Mähne des Löwen, und beleuchtete Wasserstrahlen sprangen aus seinem Maul und prasselten auf den Beckenboden. »Spitze«, sagte ich, weil die anderen schwiegen, und Gideon stieß mich mit dem Ellenbogen an, senkte den Kopf und unterdrückte ein Kichern. Nachdem wir das Produkt der Gäste betrachtet hatten, brachte meine Mutter ihr Produkt, einen zusammengefallenen Käsekuchen, und mein Vater öffnete eine Flasche Kirschlikör, die er aus dem verstaubten Flaschenfach des Ladens mitgebracht hatte. Mutter schnitt den Kuchen auf, und Alisa betrachtete die Lebensmittelhändlerinnenhände, denen man ansah, dass sie sonst mit Salzheringen und geräucherten Makrelen hantierten. Wirstießen an, wir aßen Kuchen und lehnten nicht von ungefähr eine zweite Portion ab. In meinem Stück, zum Beispiel, war noch ein nicht durchgebackener Mehlklumpen. Wir beendeten die Bewirtung und gingen dazu über, das Wann, Wie und vor allem Wieviel zu besprechen. Mein Vater sagte: »Wir bezahlen ihr das Studium bis zum ersten Staatsexamen und kaufen einen Kühlschrank, einen Herd und eine Waschmaschine.«
    Bezalel sagte: »Wir bezahlen ihm das Studium bis zum Doktorat und eine halbe Wohnung.«
    Gideon stieß mich an und flüsterte: »Anything you can do I can do better.«
    Meine Mutter zerdrückte eine Papierserviette, und mein Vater sagte: »Vergesst nicht, dass wir nicht hier geboren sind. Wir haben bei null angefangen, was ich gesagt habe, ist das, was wir haben.«
    »Wir haben bei null angefangen? Nein, Jizchak, wir haben bei unter null angefangen«, stellte meine Mutter richtig und bearbeitete die Serviette, bis nichts mehr von ihr übrig war.
    Alisa richtete sich auf und ließ die gefalteten Hände in den Schoß sinken. »Wieso, habt ihr keine Wiedergutmachung bekommen? Eine Rente? Irgendetwas?«
    »Wir haben nichts angenommen. Wer unsere Eltern umgebracht hat, kann uns nicht mit Geld kaufen.« Mein Vater hatte sich vorgebeugt, seine Augen verfolgten die dünnen Wasserstrahlen, die aus dem Löwen sprangen, und

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