Woelfe der Dunkelheit
ausgestiegen bist?« Was wurde das? Ein Verhör, in dem nur Fragen gestellt wurden?
»Angelika.« Doch die junge Frau redete einfach weiter.
»Warum bist du nicht im Rudel deiner Familie? Oder hattest du gar keines, weil deine Mutter eine Hure war, die für jeden Dahergelaufenen die Beine breitgemacht hat?« Ohne darüber nachzudenken, stand Lydia auf und packte Angelika an der Bluse.
»Meine Mutter war eine ehrbare Frau.« Angelika grinste dümmlich. Wie gern hätte sie der jungen Frau eine Abreibung verpasst. Aber das durfte sie nicht. Sie war Christophers Tochter.
»Wohl kaum. Wie kann die Tochter einer ehrbaren Frau noch vor der Hochzeit ihre Jungfräulichkeit hergeben?« Lydia sah rot und ohrfeigte Angelika. Genugtuung durchflutete ihre Adern, als sie Angelikas erschrockene Miene sah. Damit hatte das kleine Biest nicht gerechnet. Trotzdem brachen sich die unheilvollen Worte ihren Weg, die sie eigentlich nicht hatte sagen wollen.
»Ich habe sie nicht freiwillig hergegeben. Mein Rudel wurde vernichtet, als ich zwölf war und ich wurde an ein Bordell verkauft.« Plötzlich ließ sie Angelika los. Die Erinnerungen ergriffen Besitz von ihr und zogen sie wieder in die Vergangenheit. In diesen Raum, in dem sie das Schlimmste erlebt hatte, was sie sich je hätte vorstellen können. Lydia starrte mit weit aufgerissenen Augen vor sich hin und raufte ihr Haar. Nein. Nicht jetzt. Nicht hier, vor dem Rudel. Doch da kam bereits der Schwall Worte aus ihr heraus, der sich wie eine Kakofonie im Raum verbreitete.
»Sie haben meine Unschuld an den Meistbietenden verkauft. Ich war noch ein Kind ... hab geschrien und mich gewehrt ... all das Blut ... der Schmerz ...« Angelika starrte sie an, genau wie alle anderen im Raum. Warum? Warum musste sie das unbedingt ausplaudern? Sie hörte, wie die Tür zum Speisesaal geöffnet wurde und sah mit weit aufgerissenen Augen zu Christopher, der den Raum betrat. Als er die Stille und Lydias Verwirrung bemerkte, fragte er: »Was ist hier los?«
Lydia erwachte aus ihrer Starre, blickte ihn erschrocken an und rannte schließlich an ihm vorbei.
Christopher war überrascht von Lydias verwirrtem Auftreten und sah seine Tochter abschätzend an. Ihre Wange glühte, während die andere so blass wie immer war. Anscheinend hatte Lydia ihr eine Ohrfeige verpasst. Was war geschehen? Lydia neigte nicht zur Gewalt. Schon gar nicht gegen Rudelmitglieder. Also ging er zu seiner Tochter und fuhr sie an: »Geli, was hast du nun schon wieder angestellt?« Nun glühte ihr ganzes Gesicht.
»Sie ist eine Hure! Sie hat es eben vor allen zugegeben. Du kannst sie unmöglich heiraten. Das geht nicht!« Oh nein. Christopher strich sich mit der Hand übers Gesicht. Musste Lydia unbedingt vor allen sagen, was ihr geschehen war? Er wollte sein Rudel darauf vorbereiten und nicht gleich ins kalte Wasser schmeißen.
»Musste das sein?« Angelika sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an.
»Du wusstest es?« Sie klang vorwurfsvoll. In diesen Moment erinnerte sie ihn so stark an Sofia, das ein leichter Hass in ihm aufstieg.
»Ich habe sie damals zusammen mit Josh aus dem Bordell befreit.« Angelika wich vor ihm zurück und Tränen sammelten sich in ihren Augen.
»Wenn du es wusstest, wieso hast du sie dann gefragt, ob sie dich heiratet? Sie ist Abschaum. Sie ist ...« Christopher knurrte. Es war nicht das übliche Knurren, wenn er sauer war. Das war ein Knurren, als würde er ihr gleich die Kehle herausreißen.
»Kein Wort mehr, oder du wirst es bereuen.«
»Ich bin deine Tochter«, schrie sie vorwurfsvoll. »Ziehst du diese dreckige Hure etwa deiner eigenen Tochter vor?« Er bewegte sich wie ein Blitz, als er in ihre Haare griff und sie daran ein Stück nach oben riss, sodass sie auf den Zehenspitzen zum Stehen kam.
»Sie wurde gezwungen, ihren Körper herzugeben! Sie hatte alles verloren. Ihre Familie und ihr Rudel. Und nun frage ich dich: wer ist wohl reiner? Eine Frau, die trotz der vielen Schicksalsschläge immer noch aufrecht gehen kann, oder ein Mädchen, dass vor Neid und Missgunst ihr hässliches Gesicht zeigt?« Damit ließ er Angelika ruckartig los und drehte sich zur Tür.
»Ich werde sie nie als Frau an deiner Seite akzeptieren«, rief ihm seine Tochter schrill hinterher. Daraufhin drehte er sich um und sah sie kalt an.
»Dann werde ich auch dein Keuschheitsgelübde nicht mehr akzeptieren und deine Verfügbarkeit auf dem Heiratsmarkt bekannt geben. Vielleicht würde dir ein Wolf endlich mal
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