Wölfe der ewigen Nacht (German Edition)
ein Mietvertrag und die Kopie eines Sparbuchs. Im Ordner Fotos war eine Unmenge von Daten. Sie begann eines nach dem anderen anzusehen.
Die meisten zeigten Sylvester in lustigen Situationen. Beim Eis essen, im Tierpark, in einem Freizeitpark, vor einem Kino. Und immer hatte er dieses charmante Grinsen auf den Lippen. Es waren auch viele Fotos von ihr oder wo sie beide zusammen abgebildet waren. Und sie sah glücklich aus. Verliebt.
Als sie den letzten Ordner Privat öffnete, wurde sie plötzlich rot. Das waren sehr intime Fotos von Sylvester und ihr im Bett. Er nackt und gefesselt. Sie mit Strapsen und Reizwäsche. Sexspielzeug.
»Was siehst du dir da an?« Erschrocken fuhr sie herum und sah in Joshs grinsendes Gesicht. Sie spürte die Röte in ihrem Gesicht und sein wissendes Lachen machte es nur noch schlimmer.
»Ich hab ein E-Mail-Konto gefunden, dass ich vor meinem Gedächtnisverlust angelegt hatte. Ich hab ein paar Fotos angesehen.« Josh seufzte und zog sich einen Stuhl heran. »Auf den Fotos seht ihr glücklich aus.« Sie sah wieder auf den Bildschirm.
»Ich weiß, aber ich erinnere mich nicht daran. Wie kann ich ihn lieben, wenn ich mich nicht an unsere Beziehung erinnere?« Josh zuckte mit den Schultern.
»Dann schafft euch doch neue Erinnerungen.«
»So einfach ist das nicht.«
»Warum?« Snow sah ihm wieder in die Augen.
»Ich liebe einen anderen Mann.« Sie sah in seinem Gesicht, dass diese Information nicht spurlos an ihm vorbei ging.
»Als Sylvester dachte, du wärst tot, hat er den Verstand verloren. Wenn er dich nun wieder verliert, weiß ich nicht, was aus ihm wird.« Es schnürte ihr das Herz zusammen, als ihr das Bild von Sylvester wieder in den Sinn kam, als er im Kerker wie ein wildes Tier angekettet war. Wie er vor ihr auf die Knie gefallen war. Sie schüttelte den Kopf.
»Gefühle ändern sich. Ich kann nicht nur wegen meines schlechten Gewissens mit ihm zusammen sein. Das wäre Verrat.«
Josi rannte lachend durch den Wald. Ihre zwei Brüder waren hinter ihr her, weil sie ihnen wieder einmal bei der Jagd im Weg gestanden und das arme Reh verscheucht hatte. Nur Artjom nahm nicht an der kleinen Verfolgungsjagd teil. Wie immer , dachte Josi.
»Kommt schon Jungs! Das nächste Reh kommt bestimmt!« Sie war völlig außer Atem, konnte aber noch lachen. Plötzlich hallte ein donnernder Befehl von Artjom durch den Wald: »Josi! Komm sofort her! Etwas stimmt nicht!« Sie blieb sofort stehen und um sie herum erhoben sich alle Vögel zum Himmel. Es war gespenstisch. Dann bewegte sich die Erde.
»Ein Erdbeben!« Sie hatte bis jetzt noch keines miterlebt. Nicht ein Mal in ihrem langen Leben. Sie wollte zu ihren Brüdern zurück, doch ihre Beine versagten ihr den Dienst. Sie war vor Angst wie gelähmt.
Als neben ihr dicke Äste auf den Waldboden krachten, sah sie sich nach einem Fluchtweg um. Wo war sie hergekommen? Panik übermannte sie und sie rannte blind in den Wald. Das Beben dauerte immer noch an.
Auf einmal rutschte neben ihren Füßen ein Erdklumpen weg und sie schlitterte den Abhang hinab. Schwer atmend lag sie auf dem Rücken und wartete, bis das letzte Beben vorüber war. Anschließend stand sie auf und kontrollierte sich auf Verletzungen.
Zum Glück nichts außer ein paar Schürfwunden und ein paar blauer Flecken. Als sie sich umsah, stellte sie fest, dass sie inmitten tiefster Dunkelheit stand. Hier war sie noch nie gewesen.
Allein. Ihr Herz klopfte schneller. Sie drehte sich einmal um sich selbst und rannte anschließen völlig planlos in eine Richtung. Dann hörte sie es zum ersten Mal. Ein Wolf! Das Geheul eines Wolfes. Bestimmt hatten sich ihre Brüder verwandelt, um sie schneller zu finden.
Sie lief in die Richtung, wo das Geheul herkam. Abrupt blieb sie stehen. Das waren nicht ihre Brüder. Dort zwischen zwei riesigen Bäumen lag ein gefesselter Wolf. Aber kein normaler Wolf, sondern ein Riese.
Er war von einigen Ästen der Bäume bedeckt, die ihn umgaben. Wahrscheinlich durch das Beben. Er hatte bestimmt Schmerzen. Sie ging näher zu ihm. Seine bernsteinfarbenen Augen suchten ihren Blick und sahen dann schnell in eine andere Richtung.
Als sie seinem Blick folgte, sah sie ein Schwert. Es steckte im Waldboden und schien schon sehr alt zu sein. Sie ging auf das Schwert zu und zog es mit einem kräftigen Ruck aus der Erde. Der Wolf jaulte gequält auf und wand sich in den Fesseln. Wie konnte so ein dünnes rotes Seil diesen Riesen gefangen halten? Sie kam näher und
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