Wölfe der ewigen Nacht (German Edition)
nicht die vielen Jahrzehnte und Jahrhunderte umeinander herumgeschlichen. Der große Wolf kam ihr wieder in den Sinn.
»Sag mal, kennst du einen riesigen Wolf, der mit roten Seilen gefesselt ist?« Wieder blieb ihr Bruder kurz stehen. Allerdings sah er sie nicht an.
»Der Fenriswolf. Eine Gestalt aus der Edda. Warum fragst du?« Sie zuckte mit den Schultern. Fenriswolf . Irgendwo in ihrem Kopf war eine Erinnerung an diesen Namen. Mist! Sie war schon so sehr an Google und Co. gewöhnt, dass sie sich kaum noch etwas merkte, das nicht wirklich wichtig war. Es war einfach zu bequem das Internet zu befragen. Als sie schließlich ihre Überlegungen auf später verlegte, hob sie den Kopf und sah sich um. Sie waren schon fast bei der Burg.
»Wie hast du mich eigentlich gefunden?« Eine leichte Röte überzog seine Wangen.
»In deinen Wanderschuhen ist ein Peilsender versteckt.« Sie versteifte sich und begann schließlich gegen seine Arme zu kämpfen.
»Das ist doch nicht dein Ernst! Lass mich sofort runter!« Doch seine Arme waren wie Schraubzwingen.
»Das war die Idee von Vater. Er macht sich einfach zu große Sorgen um dich und deine Sicherheit.« Plötzlich kam ihr ein furchtbarer Gedanke.
»Wo sind noch überall Peilsender versteckt?« Sie waren schon fast am Tor, als Artjom schließlich klein beigab.
»Er hat fast alles von dir verwanzt. Deine Schuhe, dein Handy, deine Tasche. Ich glaube auch deine Uhr. Aber das kann er dir nur selber sagen.« Sie verschränkte ihre Arme wie ein schmollendes Kind vor ihrer Brust.
»Das glaub ich einfach nicht! Ihr seid unmöglich!«
»Josephine!« Alexej kam sichtlich erleichtert auf die beiden zu.
»Ich hatte solche Angst um dich.« Als er seinen Sohn fragend ansah, erwiderte dieser: »Sie hat sich den Knöchel verstaucht. Sonst ist alles in Ordnung.« Sie wurde vor Artjom zu Alexej übergeben und schließlich in die Burg getragen. Überall lagen Bücher und Möbel auf dem Boden. Auch Geschirr und Glas war kaputt gegangen. Mal sehen, wie ihr Zimmer aussah. Aber vorher hatte sie noch ein Hühnchen mit ihrem Daddy zu rupfen.
»Ich ziehe aus!« Mitten auf der Treppe blieb er stehen und sah sie entgeistert an.
»Wie bitte?«
»Du hast mich schon ganz richtig verstanden. Ihr behandelt mich wie ein beschränktes, krankes Kind!« Er zog die Augenbraue hoch und deutete mit der Stirn auf ihren Knöchel.
»Aber du hast dir den Knöchel verstaucht.« Sie gab einen missbilligenden Laut von sich und sah ihm in die Augen.
»Ich meine die Peilsender in meinen Sachen.« Er war sichtlich überrumpelt und öffnete ein paar Mal den Mund um etwas zu erwidern.
»Entweder du vertraust mir, oder ich ziehe noch in der nächsten Stunde hier aus!« Sie konnte spüren, wie er sich verkrampfte und sie enger an sich drückte. Es war ähnlich wie bei Artjom, als er sie zur Burg gebracht hatte.
»Du bist meine Tochter. Ich liebe dich und will dich vor Schmerz und Gefahr beschützen.« Jetzt versuchte er es wieder auf diese Tour.
»Daddy! Ich bin alt genug, um auf mich selbst aufzupassen. Dafür hast du gesorgt. Wenn ich ein Problem habe, weiß ich, dass ich immer zu dir kommen kann. Aber dass du in meinen Sachen Peilsender versteckst, nehm ich dir schwer übel!« Er zuckte zusammen und trug sie ohne ein weiteres Wort die Treppen zu ihrem Zimmer hoch. Als er sie auf dem Bett abgesetzt hatte und sich von ihr abwandte, sagte sie:
»Daddy! Das wird jetzt nicht totgeschwiegen! Ich will, dass diese Peilsender aus meinen Sachen verschwinden, sonst packe ich meine Taschen!« Wieder zuckte er sichtlich zusammen.
»Ich bin gleich wieder da.« Damit verschwand er aus ihrem Zimmer. Seufzend ließ sie sich auf ihr Bett fallen. Ihr Vater war wirklich ein Kontrollfreak. Aber sie liebte ihn trotzdem. Der Fenriswolf kam ihr wieder in den Sinn. Sie rappelte sich in eine sitzende Position und kämpfte sich schließlich auf ihr noch heiles Bein. Wie ein kleiner Hase hüpfte sie nun auf einem Bein zu ihrem Computer. Sie betätigte die Eingabetaste, gab ihr Kennwort ein und startete den Internetbrowser. Als sich das Fenster von Google öffnete, gab sie Fenriswolf ein und wartete die Ergebnisse ab.
Als Snow am Abend aus ihrem Zimmer kam, wartete Sylvester schon auf sie. Er hatte sich an die gegenüberliegende Wand gelehnt und sah sie nun grinsend an.
»Soll ich dir das Haus zeigen?« Sie musterte ihn von oben bis unten. Josh hatte ihm erzählt, dass sie ein E-Mail-Konto gefunden hatte, dass auch pikante Fotos
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