Wölfe der ewigen Nacht (German Edition)
Ein ziemlich geknickter Josh kam hinter ihr herein.
»Ich mach mir doch nur Sorgen um dich.« Sie verdrehte die Augen und blieb sofort stehen, als sie Sylvester an der Tür zum Salon erblickte.
»Hallo Sylvester. Ist was passiert?« Wie kam sie darauf? Machte er ein so besorgtes Gesicht? Aber ganz wohl war ihm auch nicht. Immerhin waren sie nur zu zweit gekommen.
»Wo ist Snow?« Cass sah ihn fragend an und ihm wurde klar, dass sie auf Snows Seite stand und seine Kontrollsucht nicht zu hundert Prozent unterstützte. Und das Josh momentan so übertrieb, machte seine Situation ihr gegenüber auch nicht besser.
»Sie wollte noch etwas mit Annika trinken.« Sylvester zuckte zusammen.
»Heißt das, sie ist ganz allein unterwegs?« Cass zog seelenruhig ihre Schuhe aus.
»Sie gehen danach zu Annika. Ich hab irgendwas von Initiationsritus gehört.« Dann kicherte sie wie ein kleines Kind. »Keine Angst. Snow wird auf ihre Kosten kommen.« Sylvester verdrehte die Augen. Und die Sorge um Snow wuchs. Als Cass die Treppe in den ersten Stock nahm, zog er sein Handy heraus und schrieb Snow eine SMS.
Josephine hasste Flugzeuge. Deswegen war sie auch nie gern mit ihrem Vater auf Geschäftsreise gegangen. Obwohl er und ihre Brüder Wölfe waren, die wirklich gar nichts in der Luft verloren hatten, lachten sie jedes Mal über ihre unbegründeten Ängste.
»Du bist doch ein Rabe!« Aber zwischen selbst fliegen und in einer Blechbüchse sitzen, aus der man nur schwer, bis überhaupt nicht herauskam, wenn etwas passierte, war sehr wohl ein großer Unterschied. Und auch der Luxus der first class änderte nicht viel daran, dass sie verkrampft im Sitz saß und seit Russland nicht ein einziges Mal den Gurt gelöst hatte.
Die zwei Flugbegleiterinnen, die für die erste Klasse verantwortlich waren, behandelten sie wie ein kleines Kind, dass das erste Mal alleine flog. Sie wurde verhätschelt und bemuttert, hier eine Decke, da ein Kissen. Einen extra Nachtisch. Auf die Frage, ob sie gerne mal das Cockpit anschauen würde, hatte sie vehement den Kopf geschüttelt und gesagt, dass sie diesen Gurt erst nach der Landung ablegen würde.
Nun, kurz vor der Landung in Washington, krallte sie ihre Finger in die Armlehnen und eine der Flugbegleiterinnen lächelte ihr aufmunternd zu.
»Keine Sorge, Schätzchen. Unser Pilot ist einer der Besten. Du wirst die Landung überhaupt nicht spüren.« Als das Zeichen für die Landung ertönte, für die man den Gurt anlegen musste, kniff sie die Augen zusammen. Wäre der Weg nicht so weit gewesen, wäre sie als Rabe geflogen. Aber die Strecke von Russland bis Amerika war eindeutig nicht machbar.
Sie vermisste Russland. Schon bevor sie ins Flugzeug gestiegen war, hatte sie starkes Heimweh verspürt. Und mittlerweile mussten ihr Vater und ihre Brüder auch ihr Verschwinden bemerkt haben. Sie biss sich auf die Unterlippe. Das schlechte Gewissen marterte ihr Herz, wenn sie an ihren Vater dachte. Er hatte sie immer vor allem und jeden beschützen wollen, hatte ihr verboten allein irgendwo hinzugehen und Männer waren sowieso tabu gewesen.
Also hatte sie nur ihre Computer, die doppelt und dreifach gegen den Zugriff ihrer Brüder geschützt waren. Ihr Vater durfte nie, wirklich niemals, mitbekommen, was sie im Internet trieb. Die einschlägigen Seiten, auf der sie ihre Neugier nach nackten Männern und Sex befriedigte. Die diversen Online-Casinos, in denen sie schon ein kleines Vermögen gewonnen hatte. Ihr Online-Konto, auf dem sie das kleine Vermögen verwaltete. Der Online-Hexenzirkel, dem sie vor ein paar Jahren beigetreten war, weil sie mehr über sich selbst erfahren wollte. Die Recherche-Daten nach ihrer Familie. Und jetzt auch noch Erik.
Der Zufall hatte es gewollt, dass sie ihn damals in Alexandria kennen gelernt hatte. Als sie von einem Detektiv, den sie beauftragt hatte, die lang ersehnten Daten über ihren Todfeind erhalten hatte, war sie aus allen Wolken gefallen. Er war in Alexandria. Sie hatte sofort nach Erik gesucht und konnte sich in seine Rechner hacken. Zum Glück war er nicht nachtragend.
Sie musste über die vielen Stunden, die sie einfach nur geredet und gelacht hatten, schmunzeln. Er war ihr sehr sympathisch. Vielleicht könnte sich nach ihrer Rache mehr zwischen den ihnen werden. Sie verdrängte diesen Gedanken schnell wieder, als sie an ihren Vater dachte. Er würde es nie zulassen, dass sie nach Amerika zog. Seine Kontrollsucht drängte ihn förmlich dazu, sie immer in seiner
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