Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wölfe der Nacht

Wölfe der Nacht

Titel: Wölfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Percy
Vom Netzwerk:
Nachricht. Niemand in Sicht. Sie nahm den Kuchen und trug ihn durch den Garten und warf ihn in den Wald. Danach hörte sie, wenn sie das Haus verließ, zwei Tage lang das entfernte Summen der Fliegen, die sich daran gütlich taten.
    Und dann sagte Justin eines Abends: »Mary Elizabeth hat gesagt, sie hätte dir einen Gugelhupf vor die Tür gestellt.«
    »Ach, sie war das. Es war keine Nachricht dabei.«
    »Wo ist er?«
    »Ich hab ihn in den Wald geworfen.«
    Er schwieg lange. »Das hättest du nicht tun dürfen. Sie hat ihn extra für uns gebacken«, sagte er. »Und zufällig mag ich Gugelhupf.«
    Die Sonne geht eben unter, als sie die Tür öffnet und Bobby auf ihrer Veranda stehen sieht. Seine Zähne sind weiß in seinem braunen Gesicht. Er hat einen gefährlichen Blick in den Augen, wie ein Zusammenkneifen, obwohl man nicht in die Sonne schaut. Er trägt eine Kakihose und ein kornblumenblaues Oxford-Hemd mit Brusttasche. Er hat eine Rose in der Hand.
    Sie spürt einen Stich in der Brust, das Gefühl, als würde das Herz aussetzen, wie wenn man in einem dunklen Zimmer nach dem Lichtschalter tastet und stattdessen eine andere Hand spürt. Sie tritt einen Schritt zurück, und die Wände werden kurzfristig größer, die Decke höher, die Böden länger. Bobby in einem Restaurant zu treffen ist eine Sache – ihn in ihr Haus einzulassen eine andere.
    »Klopf, klopf.« Er tritt uneingeladen ein. Ohne Zögern. Ihr Mann ist definiert durch Zögern.
    »Was machst du denn hier?« Sie spürt ein Kribbeln in den Eingeweiden, eine Mischung aus schlechtem Gewissen und Erregung, die sich anfühlt, als würden sich Käfer durch sie fressen.
    Er drückt ihr die Rose in die Hand. »Ich war in der Gegend. Ich dachte, wir feiern.«
    »Was?«
    »Echo Canyon. Morgen geht’s los. Großer Tag. Große Sache. Hey, hast du Wein zu Hause?« Er erklärt ihr, wie durstig er ist – so durstig –, weil er den ganzen Tag mit Tom gesprochen hat.
    »Hm.«
    »Oder ein Bier. Ich bin nicht heikel. Nur verdammt durstig.«
    »Na, dann komm.« Sie geht in die Küche, leicht seitwärts gewandt, damit sie ihn im Auge behalten kann. Am Spülbecken füllt sie ein Glas mit Wasser und stellt die Rose hinein, und sie schwankt kurz, als würde sie gleich umkippen. »Er saß vorgestern bei dir im Auto, nicht?«
    »Tom. Ja. Am Bahnübergang. Du hast übrigens großartig ausgesehen. Ich hätte ihn am liebsten hinausgeworfen, damit du seinen Platz einnehmen kannst und wir einfach nur fahren und fahren und fahren können.«
    Sie verschränkt die Arme und denkt über Tom nach. Sie versteht noch immer nicht, was Bobby bei diesem Mittagessen gesagt hat, dass sie Freunde, Geschäftspartner seien. »Das ergibt doch keinen Sinn.«
    Sie gießt ihm einen Drink ein – ganz hinten im Kühlschrank hat sie eine Flasche Chardonnay von Sokol Blosser gefunden, den sie mit einem Ploppen entkorkt –, und er schlendert durchs Haus, dreht eine Vase mit Trockenblumen, späht in einen Schrank, nimmt ein Buch zur Hand und legt es wieder weg, und währenddessen plappert er, erzählt ihr, wie das alles anfing, als der Gouverneur und der Stammesrat von Warm Springs den Vertrag über das Cascade Locks Wellnesshotel und Kasino unterzeichneten.
    Nachdem Tom sich einige Jahre lang mit juristischen Winkelzügen herumgeschlagen hatte, bat er Bobby um Hilfe, und er hängte sich ans Telefon, um mit Anwälten zu verhandeln. Der Stamm brauchte einen Fee-to-Trust-Transfer von Einnahmen in Stiftungsvermögen, um dem Trust zehn Hektar der 24 Hektar des Geländes für Glücksspielaktivitäten überschreiben zu können. Und dann gab es noch Abschnitt 24 des Indian Gaming Regulatory Act, nach dem der Innenminister entscheiden musste, ob das Projekt a) zum Wohle des Stammes sei, und b) nicht die Nachbargemeinden schädige, was besonders schwierig war, da Hood River nichts übrig hatte für ein Kasino und die Art von Leuten, mit denen es ihr Paradies aus Obstgärten und tannenbestandenen Hügeln überschwemmen würde.
    Und dann gab es noch andere Komplikationen, aufgrund der Nähe zum Fluss und in Bezug auf Geländeentwässerung und Erschließung mit Versorgungsleitungen. Außerdem mussten sie sich überlegen, wie sie die Transportwege änderten, um eine Zufahrt zu dem Kasino zu ermöglichen, was wiederum den Neubau einer Ausfahrt von der I-84 erfordern würde. Und so ging es weiter und immer weiter, so kompliziert war das Ganze, dass sich sein Kopf bald anfühlte, als würde er unter der Last

Weitere Kostenlose Bücher