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Wölfe der Nacht

Wölfe der Nacht

Titel: Wölfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Percy
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einstürzen.
    Nach Telefonaten und Diners mit Lobbyisten und Anwälten und Bürokraten und Politikern, und nachdem ein Sigma-Chi-Verbindungsbruder von Bob neuer Innenminister wurde, wurde Cascade Locks endlich Realität.
    »Und das alles hast du für ein Indianer-Kasino getan? Was hast du dafür bekommen? Einen Anteil davon?«
    »Nein, Baby. Ich habe Echo Canyon bekommen.«
    »Was meinst du damit?«
    Er redet über Folgendes: Hin und wieder bietet der Forst Service isolierte Parzellen staatlichen Lands an, um sich frisches Geld zu beschaffen und die sinkenden Einnahmen aus der Holzwirtschaft wettzumachen – und nun war es wieder einmal so weit. Die Ochocos waren übersät mit indianischen Grabstätten, mit Felszeichnungen und Piktogrammen auf den Basaltwänden. Die Indianer von Warm Spring fischten und jagten dort. Der Stamm würde ein Vorkaufsrecht für das Land bekommen, und er würde es nutzen.
    »Also habe ich Tom gebeten, nicht zuzugreifen. Oder das Angebot zu vermasseln. Die Unterlagen zu spät abzugeben. Sie an die falsche Adresse zu schicken. Sie einfach verschwinden zu lassen. Denn was wollten sie denn überhaupt mit dem Land anfangen? Einen Pfeil in einen Hirsch schießen? Neben dem Fluss eine Friedenspfeife rauchen? Sie sind nicht sentimental. Ich musste keine Daumenschrauben ansetzen. Ein Canyon gegen eine Schlucht. Einen Golfplatz gegen ein Kasino. Eine Hand wäscht die andere.«
    Sie ist nicht empört, sieht keinen Skandal dahinter. Sie hat zu viel schlechtes Gewissen und Nervosität in sich, um irgendetwas anderes zu kritisieren. Sooft sie sich umsieht, findet sie eine Sache weniger, die Bend anders macht als irgendeinen beliebigen Ort im Land – und Bobby hat sehr viel damit zu tun. Allein wegen seiner Anwesenheit spürt sie ein Summen in der Luft, ein Kribbeln auf der Haut, als würde auch sie sich gleich verändern, würde abgerissen und neu aufgebaut werden, eine ganz bewusste Rekonstruktion. Sie weiß nicht, ob sie es will oder nicht.
    Er nimmt das Weinglas, das sie ihm hingestreckt hat, ohne es zu merken. »Danke«, sagt er. »Mögen deine Segnungen zahlreicher sein als die Kleeblätter auf der Wiese und möge die Sorge dich meiden, wo immer du gehst.«
    »Wollen wir’s hoffen.« Sie hebt ihr Glas an die Lippen und trinkt kräftig mehrere große Schlucke, die ihr den Bauch wärmen.
    Auf der Anrichte steht eine Holzschüssel mit roten Äpfeln. Die Äpfel sehen aus wie Herzen, mit Paraffin überzogene Wachsherzen. Er nimmt sich einen und wirft ihn in die Luft und fängt ihn wieder. »Sollen wir ins Wohnzimmer gehen? Uns vors Feuer setzten? Es uns bequem machen?« Er verlässt die Küche, ohne auf ihre Antwort zu warten, weil er weiß, dass sie ihm folgen wird. Sie tut es. Und als er sich aufs Sofa plumpsen lässt und auf den freien Platz neben sich klopft, folgt sie ihm auch dorthin. Das Feuer knistert und knackt, und über dem schwachen Geruch des Holzrauchs kann sie ihn riechen. Er riecht wie etwas aus einer Flasche.
    »Was tust du hier, Bobby?«
    Er schaut sie mit noch räuberischerem Blick, einem leichten Weiten der Nasenlöcher an. »Ich hab’s dir doch gesagt. Ich war in der Gegend.«
    »Aber was tust du hier? Was tun wir?« Ihre Stimme klingt traurig. Sie weiß, wie leicht sie sagen könnte, es ist ihr egal – die Vergangenheit ist ihr egal, die Zukunft ist ihr egal, ihre Familie ist ihr egal, alles ist ihr egal außer sie selber, was sich gut für sie anfühlt, was sie jetzt im Augenblick will. Sie hat es verdient, nicht? Eine kleine Abwechslung. Aber sooft sie das denkt – ist mir egal –, fühlt sie sich, als habe sie einen Kiesel verschluckt, der ihr schwer im Magen liegt.
    Das schnelle Vergnügen ist den Ärger nicht wert. Oder? Sie ist sich fast sicher. Während ihr Blick durch den Raum wandert – sie schaut überallhin außer in seine Augen – und die gerahmten Fotos ihrer Familie registriert, die Tennisschuhe ihres Sohnes, ein Buch ihres Mannes mit Lesezeichen, quält sie immer nur ein Gedanke: Du bist der Sache nicht gewachsen.
    Dann stellt er sein Glas auf den Couchtisch und legt ihr die Hand aufs Knie. Sie will Nein sagen, aber das Wort fühlt sich grau und verschwommen an, will sich auf ihren Lippen nicht formen. Bei diesem Mittagessen hatte sie eine unsichtbare Grenze überschritten – und er jetzt eine weitere, als er ihr Haus betrat –, und sie weiß nicht so recht, ob es ein Zurück gibt.
    Der Fernseher ist wie ein wachsames graues Auge, und in ihm sieht sie ihrer

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