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Wölfe der Nacht

Wölfe der Nacht

Titel: Wölfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Percy
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zögernd und dann erbärmlich, als das Brennen seine Kehle und seine Lunge überrennt.
    Keuchend und hustend taumelt er aus der Höhle, an seiner Brust einen Schädel mit einem Stück Wirbelsäule daran, eine grausige Skulptur mit einigen Fellbüscheln als Putz. Er streichelt die Überreste, und seine Hand färbt sich rot. Wieder weint er. Das Schluchzen hat nichts Heftiges oder Bebendes mehr, nicht wie in diesem peinlichen Augenblick mit seinem Sohn. Die Tränen rinnen ihm einfach über die Wangen.
    Boo hat auf ihn gehört, hat bei seinen Befehlen nie die Augen verdreht oder gewinselt, hat ihn immer mit schlabbernden Küssen und wedelndem Schwanz begrüßt. Seine Treue war bedingungslos. Wenn die Menschen nur mehr wie die Hunde wären, dann hätte Paul in seinem Leben mit Sicherheit mehr von ihnen geliebt.

KAREN
    Sie macht sich keine Sorgen um ihren Mann und ihren Sohn, tatsächlich nicht. Auch nicht, als ihr Anruf direkt an Justins Voice-Mail geht. Sie sind noch im Canyon, noch bei der Jagd, machen das Beste aus ihrem Wochenende. Er hat sie vorgewarnt, es kann sein, dass sie erst gegen Mitternacht zurückkommen. Die Sorge, die sie anfangs um Graham hatte, wurde vertrieben von der beruhigenden Einsamkeit der letzten beiden Tage.
    Sie entzündet ein Feuer und zieht ein Sweatshirt an und kocht sich ein Abendessen aus Truthahnbrust und gedämpften Kartoffeln und Vollkornbrot. Inzwischen ist der Teller leer, ein verschmiertes Durcheinander neben ihr, als sie am Computer sitzt und Gangrän, Blastomykose und menschliche Darmparasiten googelt. Sie hörte die Glocke kaum, als es das erste Mal klingelt. Zu sehr ist sie ins Lesen vertieft, mit gespitzten Lippen und leicht schief gelegtem Kopf. Sie fühlt sich merkwürdig heiter, sie fühlt sich gut und normal, nachdem sie sich durch unzählige Bilder und Beschreibungen von toxischen Absonderungen und verfaulendem Fleisch geklickt hat.
    Als sie zuvor nach »Tierangriffen« suchte, stieß sie auf eine Geschichte über ein Paar, das eine Schlange besaß, eine Py thon. Sie hielten sie in einem Glaskäfig im Wohnzimmer. Sie fütterten sie mit Ratten und Mäusen, und nachdem sie gefressen hatte, ließen sie sie aus dem Käfig und im Haus herumkriechen. Sie schlängelte sich zwischen ihren Beinen hindurch, über den Schoß, mit vollem Bauch immer freundlich. Sie betrachteten die Schlange als Teil der Familie und fingen an, nachts mit ihr zu schlafen. Sie rollte sich zwischen ihnen zusammen und genoss ihre Wärme. Bevor sie am nächsten Morgen zur Arbeit gingen, öffneten sie den Deckel des Glaskäfigs, und sie wand sich hinein und rollte sich am Boden zusammen wie ein dickes Seil. Aber irgendwann reagierte die Schlange nicht mehr auf ihr freundliches Stupsen – sie wollte das Bett nicht mehr verlassen, nicht einmal, als sie sie mit quietschenden Mäusen lockten.
    Und dann weigerte die Schlange sich völlig, zu fressen. Dies ging ein paar Tage so, bis sie eines Morgens aufwachten und die Schlange sich im Bett winden sahen, sich zu komplizierten Mustern verknoten und das Maul öffnen und schließen, als würde sie herzhaft gähnen. Sie riefen den Tierarzt, der in ihr Schlafzimmer ging und die Schlange aus einiger Entfernung betrachtete und sie dann fragte: »Wissen Sie, was los ist?« Sie antworteten »Nein«, und er sagte: »Ich sage Ihnen, was los ist. Die Schlange bereitet sich darauf vor, Sie zu fressen. Sie streckt ihren Körper und dehnt den Schlund, damit sie in der Nacht einen von Ihnen umschlingen und erwürgen und verschlucken kann.«
    Wieder klingelt es an der Tür, und sie minimiert das Fenster und rollt vom Schreibtisch weg und fragt sich nur nebenbei, wer das sein könnte – der UPS -Mann, noch ein Reporter, der sie nach der Bigfoot-Sichtung befragt, die Zeugen Jehovas, die sie die Nachbarschaft abklappern sah, als sie vorgestern zum Laufen ging.
    Nachdem sie das Baby verloren hatte, gab es eine Zeit, da ihr davor graute, an die Tür zu gehen. Auf der anderen Seite stand dann immer jemand – eine Freundin, eine Nachbarin, eine Kollegin – mit einem mitleidigen Blick im Gesicht und einem Ziploc-Beutel oder einer Glasschüssel in der Hand. Ein Eintopf. Zimtbrötchen. Plätzchen mit Schokostückchen. »Lass dir das schmecken«, sagten sie. »Und bitte sag uns Bescheid, wenn du irgendwas brauchst. Brauchst du irgendwas?«
    Nein. Sie brauchte nichts. Außer allein gelassen zu werden.
    Eines Tages öffnete sie die Tür und fand auf der Schwelle einen Gugelhupf. Keine

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