Wölfe der Nacht
Scheibenwischer schnellen hin und her, um klare Tortenstücke aus einer grauen Welt zu schneiden. Blitze zucken. Donner grollt.
Die meisten Leute sind so schlau, im Haus zu bleiben, sie sitzen gemütlich in ihren Lehnstühlen mit einer Tasse Kaffee in der Hand und einer Zeitung auf dem Schoß und stehen nur hin und wieder auf, um ans Fenster zu gehen und zu sagen: »Es stürmt noch immer.« Brian erkennt sie als Silhouetten in ihren Fenstern, wie sie die Vorhänge aufziehen, während er über den Highway 97 fährt, dann auf die Empire und schließlich, unterwegs zu ihrem Haus, auf die OB Riley einbiegt.
Durch den dichten Vorhang aus Regen sieht er einen grell orangefarbenen Kipplaster, der ihm mit blinkenden Warnlampen entgegenkommt, mit Sicherheit von einem der vielen Bauprojekte überall in der Stadt, beladen mit dem Abraum eines Hügels, der von Dynamit eingeebnet oder von Baggern abgenagt wurde. Als er daran vorbeifährt, röhrt sein Motor und die Reifen preschen durch eine Pfütze und schleudern eine meterhohe Welle hoch, die an seine Tür prasselt.
Sie wohnt in einer bewaldeten Nachbarschaft, wo jedes Haus auf einem kiefernbestandenen Grundstück steht. Die Häuser sind eher bescheiden. Vorwiegend Farmhäuser, mit zerklüfteten Armen aus Lavagestein als Fundament, so dass sie aussehen, als würden sie aus dem Boden wachsen.
Die Straße führt einen Hügel hoch und schlängelt sich durch eine Reihe von Basalt-Auswüchsen, verziert mit Vogelkot und Wurzelgeflecht. Abgesehen von einigen wenigen Autos gehört die Straße ihm allein, so dass er es sich leisten kann, eine Kurve zu schnell zu nehmen. Er erlebt einen Augenblick der Schwerelosigkeit, als der Pick-up aufschwimmt und auf die Gegenfahrbahn schlittert – und dann finden die Reifen wieder Halt und der Pick-up tuckert vorwärts. Zu beiden Seiten der Straße schwanken Bäume im Wind. Über und hinter ihnen kann er schnell dahinziehende Wolken mit grauer Unterseite sehen, allerdings kaum, da so viele frische Tropfen die Windschutzscheibe sprenkeln, dass die Wischer gar nicht schnell genug arbeiten können.
Das Haus ist ein einstöckiges, im Neo-Kolonialstil gehaltenes, mit einer grauen Backsteinfassade. Er weiß das, weil er in einem früheren Leben einen Kurs für Architekturgeschichte am Central Oregon Community College belegt hat. Die Bücher stehen noch immer in seinem Regal, aus diesem Kurs und aus einigen anderen, und er blättert noch gelegentlich darin. Das war, bevor er sich zur Armee meldete, als er noch vorhatte – er weiß gar nicht genau was –, irgendetwas zu werden.
Sie trägt rosafarbene Laufshorts, ein weißes Trägertop, einen Sichtschirm, aus dem ihre rabenschwarzen Haare in einem hohen Pferdeschwanz herausragen. Sie marschiert auf ihn zu. Die Arme pumpen, die Hände sind zu kleinen Fäusten geballt. Die überdeutlich modellierten Muskeln ihrer Oberschenkel explodieren bei jedem Schritt, als wollten sie aus der Haut platzen. »Danke fürs Kommen«, sagt sie, während sie den Abstand zwischen ihnen verkleinert.
»Kein Problem.«
Sie ist ein paar Jahre älter als er, Anfang dreißig, und ungefähr genauso groß. Dafür ist er dankbar. Es fällt ihm schwer, mit Leuten, vor allem mit Frauen zu reden, die viel größer sind als er. Oft stellt er sich auf eine Stufe oder einen Bordstein oder die Steigung einer Hügelflanke, damit er es ist, der nach unten schauen kann.
Fast streckt er ihr die Hand entgegen, aber er tut es nicht, denn er weiß noch gut, was sein Vater gesagt hat: Eine Frau muss zuerst die Hand ausstrecken, alles andere betrachtet sie als Bedrängung. Aber das Verlangen, sie zu berühren, ist stark. Er wendet sich ab, um die Plane aufzuziehen, die Heckklappe herunterzulassen und seine Werkzeugkiste zu holen, eine große rote Craftsman mit einem schmuddeligen Rechteck darauf, dem Überrest eines Marine Corps-Aufklebers, den er mit Spucke und einem Messer abgeschabt hat.
Sie stellt sich unter das offene Vordach, um sich vor dem Regen zu schützen. Sie hat die Arme verschränkt. Sie schafft kaum ein Lächeln, so verkniffen ist ihr Gesicht vor Verlegenheit und Wut. »Das ist ja so ärgerlich, jemanden bezahlen zu müssen, damit der mich in mein eigenes Haus lässt.«
»Tut mir leid.«
»Nein, nein, nein.« Sie berührt ganz kurz seinen Unterarm. An der Stelle bleibt eine Kerzenflamme der Wärme zurück. »Es sind ja nicht Sie, der Ärger bereitet. Das wollte ich damit nicht sagen. Offensichtlich sind es nicht Sie. Es ist
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